Mensch, Hund und Wolf
- Text: Ernst Hofmann, Unterkulm
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Kaum ein anderes Haustier steht dem Menschen so nahe wie der Hund. Dabei ist sein Urahn ein bekanntes Raubtier – der Wolf. Durch genetische Untersuchungen ist eindeutig belegt, der heutige Haushund stammt vom Wolf ab. Ohne ihn gäbe es weder Dogge noch Dackel. Ob es uns gefällt oder nicht: Alle Eigenschaften des Hundes, seine äussere Erscheinung, seine Sinne, sein Verhalten, leiten sich vom Wolf ab, wenn auch durch Jahrtausende der Auslese (=Selektion) abgeschwächt oder verstärkt.
Die soziale Grundeinheit ist beim Wolf das Rudel. Ein Wolfsrudel in freier Wildbahn ähnelt einer menschlichen Grossfamilie. Es besteht meistens aus Mutter, Vater und mehreren Kindern. Die Rudelgrösse liegt meist zwischen 5 und 10 Tieren, abhängig vom Nahrungsangebot und der Grösse des Territoriums. Die Eltern, Rüde und Fähe, leben in einer monogamen Partnerschaft und bleiben ein Leben lang zusammen. Gemeinsam führen sie als Oberhaupt die Familie an. Nur sie paaren sich und achten darauf, dass kein fremder Wolf ihr Territorium betritt. Die Paarung findet einmal im Jahr im Februar oder März statt. Die Welpen werden in einer Höhle geboren, wo sie blind und taub zur Welt kommen. Alle Tiere des Rudels kümmern sich um die Welpen und erhalten im Gegenzug von den Jungen Zuneigung. Im Spiel der Welpen wird die überaus wichtige soziale Rangordnung innerhalb des Wurfs etabliert, die letztlich der Gesamtorganisation im Rudel unterliegt. Die ein bis zwei Jahre alten, noch nicht geschlechtsreifen Jugendlichen bleiben im Rudel und helfen bei der Aufzucht der Kleinsten mit. Sobald sie bereit sind, eine eigene Familie zu gründen, verlassen sie in der Regel das elterliche Territorium. Dann beginnt für sie die grosse Suche nach einem Partner und einem eigenen Revier mit Wanderungen von oft vielen hundert Kilometern.
Der starke Familiensinn, den der Wolf an den Tag legt und mit uns Menschen teilt, bildet das Herzstück der unerwartet engen Beziehung unserer Vorfahren zu diesem Wildtier. Die Ausdrucksweise der Wölfe unterscheidet sich nicht allzu sehr von derjenigen der Hunde. Aufgrund ihrer engen Verwandtschaft ist das Verhalten homolog. Wir Menschen, der Wolf und die Hunde besitzen über das Gruppenverhalten die Fähigkeit, sich auf den jeweils Andersartigen einzustellen. Bei der Domestizierung der Hunde war es wichtig, dass sie das Verhalten des Menschen verstehen. Hunde scheinen im «Lesen» ihrer menschlichen Partner wirklich gut zu sein. Wie genau die Beziehung zwischen Mensch und Hund begann, ist bisher nicht genau bekannt. Eventuell folgten die Wölfe vor Zehntausenden von Jahren den Menschen und profitierten von ihren Jagderfolgen und Nahrungsresten. Möglicherweise jagten Wolf und Mensch auch gemeinsam und teilten sich die Beute. Auf diese Weise könnten sich Wolf und Mensch immer näher gekommen sein.
Unsere Vorfahren haben wohl bald gemerkt, dass man junge Wolfswelpen auch von Hand aufziehen und ihnen etwas beibringen kann. Sie begannen deshalb, die Wildtiere zu domestizieren. Aus der Zeit vor etwa 12 000 Jahren, als die Menschen sesshaft wurden, gibt es eindeutige Belege für eine enge Bindung zwischen Mensch und Hund, da man Skulpturen, Grabbeigaben und Skelette in Mesopotamien und Ägypten fand. Grund für das Sesshaftwerden war die Kultivierung von Getreide wie Weizen und Gerste und die Domestizierung von Schaf, später Rind und Ziege.
Äusserlich sahen die Hunde noch lange wie ihre wilden Vorfahren aus. Durch gezielte Zuchtwahl entstanden spezialisierte Hundetypen, wie Wachhunde und Jagdhunde, die für die Menschen dienlich waren. Erst im Lauf der Jahrhunderte, nämlich im 19. Jahrhundert, wurden standardisierte Hunderassen festgelegt, die nach internationalen Kriterien und Regeln gezüchtet wurden. So entstanden bis heute mehr als 300 anerkannte Rassen.
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