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Veröffentlicht 21. November 2023

Vom Gemeinschaftsverband zur Egogesellschaft

  • Text: Ernst Hofmann, Unterkulm
  • Bild: sandeep damre auf Unsplash
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Gemeinschaftsbildungen gibt es nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren. Man denke da an Schwärme der Vögel oder Fische, Rudel der Hirsche, Rehe oder Wölfe. Solche Gemeinschaften (=Sozietäten) konnten sich nur bilden, weil diese einen Überlebensvorteil (=Selektionsvorteil) bringen.

Ein geselliger Zusammenschluss besteht zum Schutz der einzelnen Individuen vor Feinden, zur gemeinsamen Verteidigung oder zum gemeinsamen Angriff (z. B. Wolfsrudel). Im Weiteren besteht eine Leistungssteigerung durch eine optimale Arbeitsteilung (z. B. Leittier als Anführer). Ein weiterer Vorteil ist, dass individuell erworbene Vorteile an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. Dabei ist klar, dass das gemeinsame Handeln nur erfolgreich sein kann, wenn bestimmte Regeln (Gesetze) eingehalten werden. Diese beziehen sich auf Rangordnungsstrukturen, das Verhalten der Mitglieder, Zuverlässigkeit, Ritualisierung der Aggression, Solidarität und Gerechtigkeit. Auch die menschliche Sozietät hat nur Gültigkeit, wenn Zuverlässigkeit und andere Tugenden herrschen.

Da der Mensch selber reflektieren und in eigener Verantwortung handeln kann, hat er die Möglichkeit, anders zu handeln, als es der Gemeinschaft entspricht. Er kann die Wahrheit sagen oder nicht, er kann sich auf Kosten der Gemeinschaft Vorteile verschaffen. Durch diese Entscheidungsfreiheit des Menschen ist die Moral entstanden. So gibt es die moralischen Vorgaben «du sollst nicht töten, nicht lügen, keine ungerechtfertigten Vorteilnahmen einheimsen etc.». Verhält sich ein Mensch gegenüber der Sozietät ungerecht, so bezeichnet man sein Verhalten als unmoralisch, egoistisch. Versteht man unter Egoismus eine Vorteilnahme auf Kosten anderer, so zerstört er das Gleichgewicht in der Gemeinschaft.

Der Egoismus hielt sich früher in Grenzen, da die Voraussetzungen – industrielle Revolution und Wohlstandsgesellschaft – nicht im heutigen Masse vorhanden waren. Neben der Notgemeinschaft gab es auch noch die Moral der Religionen.

Der Mensch ist in der Lage, sich über die gemeinschaftliche Moral hinwegzusetzen. Durch den Wegfall der Notgemeinschaft in unserer Wohlstandsgesellschaft und dem Bedeutungsverlust der Religion kann der Egoist ungestraft leben. Egoismus führt zum Bindungsverlust in der Gemeinschaft und zur Erhöhung von Aggressivität. Ob sich jemand in der Warteschlange im Lebensmittelladen vordrängt, einem anderen die Vorfahrt oder den Parkplatz wegnimmt, der schädigt andere, setzt sie herab und verletzt sie. Eine solche egoistische Vorteilnahme wird von Geschädigten als asozial empfunden und schürt Aggressionen.

Nach der zwangsweisen Isolation während der Corona-Pandemie sind wir aus der Gemeinschaft gefallen und damit auf uns selber zurückgeworfen. Für viele ist eine innere Leere entstanden und sie litten oder leiden unter Einsamkeit oder an einer Depression. Als Ersatz für Kontakte zu Mitmenschen haben wir neue Bindungen zu Hund oder Katze aufgebaut, werden ans Natel gebunden oder versuchen über Konsum, Reisen und Predige unser Ego zu befriedigen. Die Sonderstellung des Menschen beruht auf einem Ich- oder Selbstbewusstsein und der Möglichkeit zur eigenständigen Planung und Entwicklung der Zukunft. Damit hat sich der Mensch über Werkzeug- oder technische Entwicklung die Natur immer mehr untertan gemacht und seine biologische Bedingtheit immer mehr aus den Augen verloren. Die Folgen wie Zivilisationskrankheiten, Verhaltensstörungen, destruktive Aggression und Umweltzerstörung sind ersichtlich. Aber, wir können uns in einer begrenzten Welt den ökologischen Rahmenbedingungen auf Dauer nicht entziehen und unsere egoistischen Ansprüche nicht ins Unermessliche steigern.

 

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