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Veröffentlicht 01. Juni 2022

Applaus, Applaus

  • Text: Eing.
  • Bild: Christian B. auf Pixabay
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Kurz vor der Siegerehrung beim Deutschen Fussballpokalfinale in Berlin. Das Stadion steht still, die Ehrung muss warten, da ein Zuschauer mit dem Leben ringt. Sofort sind Angehörige des Rettungsdienstes vor Ort und behandeln den Mann, er wird nach erfolgreicher Stabilisierung mit einem Rettungswagen ins Spital gebracht. Es brandet Applaus von 80 000 Zuschauern dem Rettungsteam nach, mehr als später dem Werbeteam einer österreichischen Energy-Brause, welche leider das Finale gewonnen hat.

Aber reicht Applaus auf Dauer aus? Ich denke nicht. Wir haben alle unseren Pflegenden und überhaupt unseren im Gesundheitssystem Beschäftigten applaudiert. Es waren in der Pandemie nicht nur die Pflegenden auf Intensivstationen stark belastet, sondern auch alle anderen.

Die Pflegeinitiative wurde zwar im November 2021 angenommen, doch es hapert mit der Umsetzung. Verliert man noch mehr Zeit, werden immer mehr Mitarbeitende im Gesundheitswesen kündigen, wobei sich die aufgrund der Demographie zunehmende Arbeit auf weniger Mitarbeiter verteilt.

Schon jetzt müssen teilweise Tumorkranke viele Wochen auf Operationen warten. Nicht weil keine Ärzte da wären, die sie operieren, sondern keine technischen Operationsassistenten oder -assistentinnen oder keine Pflegenden auf der Intensiv- oder Normalstation.

Es muss JETZT gehandelt werden. Die Kantone sind zuständig und verzögern zurzeit die Umsetzung der Initiative, da sie auf die Gesetzgebung des Bundes warten. Die Umsetzung der Ausbildungsoffensive erfolgt nicht, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ebenfalls nicht. So wird es mit Sicherheit noch mehr Kündigungen geben. Zudem haben viele Mitarbeitende Respekt vor dem Herbst, wo sich die Pandemiesituation wieder verstärken könnte und denken deshalb gerade jetzt über einen Ausstieg nach.

Löblicherweise haben viele Spitäler Bonuszahlungen gesprochen, doch was ist mit den Zehntausenden Pflegerinnen und Pflegern in Altenheimen, dem Rettungsdienst, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Spitex? Was ist mit dem Reinigungsdienst, der heutzutage, um Kosten zu sparen, in vielen Spitälern «ausgelagert» wird an Drittfirmen, von denen die langjährigen bisherigen Mitarbeiter dann «zurückgemietet» werden.

Unser Wirtschaftssystem, das denen, welche sich um Geld kümmern, deutlich mehr bezahlt als denen, die sich um Menschen kümmern, werden wir nicht ändern. Aber mit Applaus wird es auf Dauer eben auch nicht gehen.

Dr. med. Michael Kettenring

 


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