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Veröffentlicht 30. Juli 2018

Die chirurgische Ausbildung

  • Bild: Clay Banks auf Unsplash
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Operieren ist ein Handwerk. Um dieses zu erlernen, braucht es eine lange intensive Ausbildung, gute Lehrer und auch etwas Talent. Die Ausbildung beginnt mit dem Erwerb der theoretischen Grundlagen im mindestens sechs Jahre dauernden Medizinstudium, wobei die ersten beiden Jahre hauptsächlich die naturwissenschaftlichen Grundlagen gelehrt, danach alle Teilbereiche der Medizin angeschnitten werden. Im letzten Jahr des Studiums absolviert man ein Praktikum an einem Spital mit den Fächern Chirurgie, Innere Medizin und einem Wahlfach.

Nach dem Abschlussexamen ist man zwar Arzt, hat aber bisher chirurgisch-handwerklich allenfalls mal einen Wundhaken gehalten und steht erst am Anfang einer Ausbildung, die noch viele – zum Facharzt mindestens sechs – Jahre dauert, ohne eine sich danach noch anschliessende Spezialisierung von mehreren Jahren.

Dies gilt natürlich auch für fast alle anderen Facharztausbildungen in der Medizin. In dieser Facharztausbildung wird man in der Chirurgie durch viele Assistenzen langsam ans eigene Operieren herangeführt, welches man dann mit leichten Eingriffen, natürlich immer unter Anleitung eines erfahrenen Chirurgen, beginnt. Hat man den für die Facharztreife geforderten «Katalog» durchoperiert, kann man frühestens nach sechs Jahren die Prüfung ablegen und darf fortan ohne Aufsicht durch einen erfahrenen Chirurg eigenständig operieren.

Meist erfolgt jedoch noch eine Spezialisierung von mehreren Jahren, z.B. in der Traumatologie, mit gleichem Prozedere: anschauen, mitmachen, unter Aufsicht selbst operieren. Auch danach erfolgt wiederum eine Prüfung.

Durch den Erwerb der handwerklichen Fertigkeiten hat man jedoch nur eine Teilkompetenz der Chirurgie erlangt. Die viel schwieriger zu erreichende ist die richtige «Indikationsstellung». Das heisst, zu entscheiden, wer von einer Operation profitiert und wer nicht. Und bei welchem Patienten welches Operationsverfahren anzuwenden ist, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Das Erlangen dieser Kompetenz ist ein Prozess, der viel länger dauert als die handwerklichen Fähigkeiten aufzubauen und der viel mit Erfahrung zu tun hat.

Eigentlich wie in vielen anderen Berufssparten auch.

Leider finden heute immer weniger junge Studienabsolventen in die Chirurgie. Es ist immer noch wenig vereinbar mit Teilzeitarbeit, vor allem während der Facharztausbildung, aber auch danach.

Hier ist es an den grossen Ausbildungskliniken, Arbeitszeitmodelle zu etablieren, die es z.B. auch Frauen ermöglichen – 70% der Medizinabsolventen sind heute Frauen – in die Chirurgie zu gehen.

Dr. med. Michael Kettenring


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