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Veröffentlicht 12. August 2020

Was ist ein Notfall?

  • Bild: Engin Akyurt auf Pixabay
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Es ist ein Phänomen, was schon zu Anfang meiner Ausbildung vor 25 Jahren zu beobachten war, was aber in den vergangenen Jahren zu einem immer grösseren Problem geworden ist. Zwischen 2007 und 2014 haben laut Krankenkassenverband Santésuisse die Notfallbehandlungen in den Spitälern um 42% zugenommen, danach dürfte seit 2014 bis heute von einer ähnlichen Steigerung auszugehen sein. Die Notfallambulanzen in den Spitälern müssen sich in zunehmendem Masse mit Bagatellfällen herumschlagen, was die Versorgung der Patienten erschwert, welche wirklich Notfallhilfe benötigen. Die Kosten steigen, da eine Behandlung im Spital teurer ist, als beim Hausarzt. Die Wartezeiten im Spital werden deutlich länger.

Doch warum schätzen die Patienten häufiger falsch ein, ob ihre Beschwerden einer notfallmässigen Intervention bedürfen oder nicht?

Zum einen spielt sicher die Halbinformation aus dem Internet eine Rolle. Die Patienten können ohne eine entsprechende Ausbildung nicht die vielen Informationen werten, die sie online erhalten.

Des weiteren gibt es gerade in unserer Region zu wenig Hausärzte, die Wartezeiten könnten nach Ansicht der Patienten womöglich deshalb länger sein. Da geht es vielleicht direkt im Spital etwas schneller, so möglicherweise die Ansicht.

Auch eine gewisse «Vollkasko-Mentalität» spielt sicher eine Rolle. Man ist nicht mehr bereit, über das Wochenende zu warten, bis der Hausarzt wieder erreichbar ist. «Ich habe soviel Prämien bezahlt, also habe ich das Recht dazu» ist die Aussage, die man öfter hört, verkennt aber das Prinzip der Krankenversicherung als Solidarversicherung. Eine Anspruchshaltung, die dazu führt, dass Notfallstationen als praktische und dauerhaft verfügbare Anlaufstelle für jedes medizinische Problem wahrgenommen werden.

Kann man die Patienten besser «erziehen»? Alle Massnahmen diesbezüglich liefen bisher ins Leere. An etwas grösseren Spitälern wird nun häufig eine hausärztlich oder vom Spital selbst betriebene Notfallpraxis mit erfahrenen Allgemeinärzten vorgeschaltet, welche entscheiden können, ob eine Spitalbehandlung notwendig ist oder nicht. Bisher laut Studien die beste Lösung.

Letztendlich bleibt trotzdem die Hoffnung, dass sich der Trend verlangsamt, umkehren wird er sicher nicht mehr. Denn auch klar ist: Lieber kommen 10 Patienten mit vermeindlichen Notfällen, von denen nur einer ein echter Notfall ist, auf die Notfallstation und dem einen kann zeitgerecht geholfen werden, als dass keiner von diesen 10 kommt.

Dr. Michael Kettenring


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