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Veröffentlicht 04. August 2021

Bilder sagen mehr als Worte

  • Bild: Tomasz Brzozowski auf Pixabay

Der junge Parson Russell Terrier läuft lustig wedelnd in den Untersuchungsraum. Beim besten Willen sehe ich weder ein Humpeln noch eine Lahmheit. Zu Hause sei er auf 3 Beinen gehumpelt und passiv gewesen. Ist es Freude oder Angst, die dazu führt, dass dem kleinen Rüden hier in der Praxis offensichtlich nichts mehr fehlt? Gelenke werden durchgetastet und kontrolliert. Der Besitzer ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob der Hund nun rechts oder links entlastet hat? Das passiert oft, auch bei Katzen: In der Praxis ist es nur noch halb so schlimm oder gar nicht mehr festzustellen.

Deshalb hier der Tipp des Jahres: Immer und überall haben wir heutzutage so ein Gerät dabei, mit welchem man nebenbei auch telefonieren kann. Häufig werden mit dem kleinen Computer Fotos vom Essen, vom Regenbogen, vom Hagel, von der grössten Hose oder anderen Dingen gemacht und geteilt. Die Idee, eine Lahmheit oder das komische Verhalten zu filmen, geht leider oft vergessen. Was müssen wir uns darunter vorstellen, wenn die Besitzer sagen: «Die Katze macht so komisch, wenn sie aufsteht», oder «Er/sie macht so ein Geräusch, verhält sich anders». Was beim Bücherlesen so interessant ist, dass nämlich jeder in seiner Phantasie eine eigene Vorstellung, ein eigenes Bild von der Geschichte hat, dies ist bei der Beschreibung eines Symptoms und der Diagnosefindung eher hinderlich. Also merken Sie sich: Lahmheiten, Anfälle, Hautveränderungen, komisches Verhalten etc.: filmen oder fotografieren! Durchfall und Erbrochenes, Parasiten oder andere «Fundgegenstände»: Mitnehmen zum Zeigen!

Mit einem Foto eine Diagnose zu stellen ist wiederum schwierig. Da müssen wir die erwartungsvollen Besitzer, welche ihre Mail-Nachricht mit dem angehängten, manchmal unscharfen Bild mit der Frage versehen, was das sein könnte, oft enttäuschen. Meistens brauchen wir für eine Diagnose alle unsere Sinne, nicht nur den Augensinn. Wir müssen anfassen, abtasten, abhören, daran riechen, manchmal auch drein piksen und alles zusammen ergibt erst das Gesamtbild für eine Diagnose.

Vom Terrier wurde uns dann auch ein Film übermittelt: Der Arme humpelte wirklich auf 3 Beinen zu seinem Körbchen. Nun wussten wir aber genau wo suchen und siehe da: Beim Kontrolltermin fanden wir die kleine Zehe ganz aussen etwas geschwollen und druckdolent vor. Wohl gestaucht oder gezerrt, nicht schlimm, aber nun wissen wir, was der Grund ist, und das ist doch beruhigend. Ein Stütz- und Schutzverband sowie entzündungshemmende Schmerzmittel werden wohl helfen.

Also: Filmen oder fotografieren Sie auffällige Dinge bei Ihrem Tier und markieren Sie die Aufnahme gut, damit Sie sie in der Bilderflut dann auch wieder finden (ich spreche aus eigener Erfahrung).

Dr. med. vet. Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. S. Küng AG, 6215 Beromünster, www.kleintierpraxiskueng.ch


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