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Veröffentlicht 24. Juli 2023

Blindschleiche – weder Schlange noch blind

  • Text: Ernst Hofmann, Unterkulm
  • Bild: Manfred Richter auf Pixabay
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Die Blindschleiche ist bei uns das häufigste vorkommende Reptil. Reptilien (Kriechtiere) sind wechselwarme Tiere, deren Körpertemperatur stark von der Umgebungstemperatur abhängig ist. Ihre beschuppte Haut schützt sie vor Verdunstung und ermöglicht ihnen ein Leben unabhängig vom Wasser im Unterschied zu den Amphibien, die eine wasserdurchlässige Haut besitzen und auf Feuchtstandorte abgewiesen sind. Zu den einheimischen Reptilien zählen Schildkröten, Eidechsen und Schlangen. Obwohl die Blindschleiche auf den ersten Blick einer Schlange gleicht, gehört sie zu den Echsen und ist eigentlich eine beinlose Eidechse. Erkennen lässt sich das übrigens an den Knochen des Becken- und Schultergürtels, die am Skelett noch in Resten vorhanden sind. Wichtige Unterscheidungsmerkmale zu den Schlangen sind verschliessbare Augenlider, runde Pupillen und das Abwerfen des Schwanzes. Zum Züngeln, also zur Aufnahme von Geruchsstoffen, müssen Blindschleichen das Maul etwas öffnen, da sie keine Oberlippenlücke haben wie die Schlangen. Ein anderer verbreiteter Irrtum ist, dass die Blindschleiche gemäss der Artbezeichnung blind sei, was falsch ist. Der deutsche Name wird auf das althochdeutsche Wort «plint-slicho» zurückgeführt, was «blendende oder glänzende Schleiche» bedeutet und sich auf das Glänzen der glatten Schuppenhaut bezieht.

Blindschleichen bevorzugen Hecken, Bahnareale, Kiesgruben, Weiden, brachliegende Flächen und naturnahe Gärten mit wilden Ecken, in denen keine Tier- und Pflanzengifte eingesetzt werden. Das Innere eines gärenden Komposthaufens, aber auch die feuchte Erde unter einer sonnenexponierten Steinplatte, bieten einer Blindschleiche oft Wärme, Schutz und Nahrung zugleich. Sie sind nützliche Gartenhelfer, die neben Regenwürmern, Insekten, Asseln und Spinnen besonders gerne Nacktschnecken fressen. Die Blindschleiche hat viele Fressfeinde, darunter Schlangen, Säugetiere wie Igel und Fuchs sowie zahlreiche Vögel. In Siedlungsnähe des Menschen sind vor allem Hauskatzen und Hunde eine Gefahr für sie. In Bedrängnis winden sich die Tiere hin und her und scheiden dabei oft Harn und Kot aus der Kloake aus. Schliesslich kann ein Schwanzstück abgeworfen werden, das dann noch minutenlang heftig zappelt und zuckt. Dies ist vor allem gegenüber Vögeln und Säugern eine effektive Ablenkungsmassnahme. Der Schwanz wächst dann wie bei den Eidechsen allmählich wieder nach, allerdings nur noch als kurzer Stummelschwanz.

Die Paarungszeit findet ab April bis Juni statt. Bei der Paarung wird das Weibchen in den Kopf oder die Nackenregion gebissen, um zu kopulieren, die mehrere Stunden dauern kann. Die meisten Reptilien vergraben ihre Eier an einem sonnigen, warmen Ort. Nicht so die Blindschleichen, die ihre Eier bis zur Schlupfreife im Körper ausbrüten und damit ihren Nachkommen eine bessere Überlebenschance bieten. Im Normalfall werfen die Mütter nach ungefähr drei Monaten 6 bis 12 Junge. Beim Wachstum der Jungtiere finden jährlich drei bis vier Häutungen statt. Dabei wird die alte Hautoberschicht von vorne nach hinten zu Wulsten zusammengeschoben und abgestreift. Den Winter verbringen Blindschleichen in Kältestarre bzw. Ruhe in möglichst frostsicheren Verstecken. Häufig bohren sie sich auch selbst unterirdische Gänge und verschliessen die Öffnung mit Moos oder Erde. Regelmässig findet die Überwinterung gesellig in Gruppen von 5 bis 30 Individuen, ausnahmsweise auch weit mehr, statt.

 


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