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Veröffentlicht 19. August 2024

Boden – Das verborgene Universum

  • Text und Bild: Ernst Hofmann, Unterkulm
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Im Felsen begann und beginnt immer wieder neu unser Boden, die Erdkruste. Felsen verwittern allmählich und lockern sich, Regen zersetzt das Gestein mit Säuren zu feinem Material, aus dem sich Boden entwickeln kann. Frost sprengt und zerkleinert es Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert. In einem komplexen Prozess, der weitere Jahrhunderte dauern kann, verwandeln sich Mineralien, abgestorbene Pioniergewächse, später Sträucher und Bäume in fruchtbare Erde.

Je nach Ausgangsgestein, Vegetation und Witterung entstehen unterschiedliche Bodentypen. An dieser Umwandlung wirken die unzähligen Lebewesen mit, die im Boden leben. Viele dieser Tiere sehen aus wie Zeugen uralter Vergangenheit. Asseln, die als ursprüngliche krebsartige Meeresbewohner gepanzert sind, Springschwänze mit ihrer Sprunggabel, winzige Milben, Rädertierchen, Bärtierchen und viele mehr. Durch den Boden kriechen unzählige Würmer, weisse, graue, nackte und blinde. Daneben leben Pilze, die weder Tier noch Pflanze sind, sondern eine ganz eigene Lebensform darstellen. Mit ihren fädigen, weissen Strukturen (Hyphen) verbinden sie sich mit den Wurzeln vieler Pflanzen und leben in Symbiose miteinander. Diese Pilzfäden bilden ein dichtes, bis zu 500 km weites Netzwerk, vergleichbar mit unserem Word Wide Web.

Dies sind aber nur die sichtbaren Bodenlebewesen. Daneben existieren im Untergrund unzählige Einzeller wie Amöben, Wimpertierchen, Bakterien und Algen, die nur mit dem Mikroskop erfasst werden können. Bis vor wenigen Jahren waren nur wenige Prozent dieser Mikroben bekannt. Erst mit dem Fortschritt der Biotechnologie und Digitalisierung lernen wir die enorme Vielfalt der kleinsten Bodenlebewesen und ihre Funktion allmählich besser kennen. Sie hausen bevorzugt in feinen Poren der mineralischen Strukturen und Krümeln des Erdreichs. Unter einem m2 gesunden Bodens existieren mehr als es Menschen auf der Erde gibt. In einem einzigen Teelöffel Erde findet man eine Million Bakterien, 120 000 Pilze und 25 000 Algen! Die grössten Helden des Erdreiches sind aber die Regenwürmer, wovon es viele Arten gibt. Diese sind hauptsächlich mit Verschlingen und Ausscheiden beschäftigt. Jeden Tag verleibt sich ein Regenwurm ein Mehrfaches seines Gewichts an Boden ein, all die abgestorbenen Tiere, Grashalme, Blüten oder Blätter. Diese Biomasse zieht er von der Oberfläche herab ins Dunkel, damit sie anfängt zu verrotten, um dann verschlungen zu werden. Unterwegs im Untergrund schaffen Regenwürmer kleine und grössere horizontale Röhren, die bis zu 450 m pro m2 ausmachen können. Diese Wege sind Voraussetzung dafür, dass sich Pflanzenwurzeln ausbreiten und Sauerstoff und Wasser in die Unterwelt gelangen können. Der Regenwurm belebt damit die grosse Vielzahl anderer Lebewesen. Seine Ausscheidungen vermischen sich dann mit Mineralstoffen zu Krümeln, deren wichtigster Bestandteil Humus ist. So werden die Nährstoffe aus abgestorbenem organischem Material den Pflanzen wieder zugänglich gemacht. Jede neu gebildete Tonne Humus kann der Atmosphäre bis zwei Tonnen CO2 entziehen.

Um so tragischer ist es, dass in unseren Böden immer weniger der Wurm drin ist. Dafür gibt es viele Gründe: Es fehlt an Futter, wenn Monokulturen dominieren und Dünger und Gülle die Haut der Regenwürmer verätzen. Auch jede Bodenbearbeitung zerstört ihre Gänge. Pestizide tragen das ihre dazu bei. Während man in konventionellen Intensivbetrieben noch ca. 30 Regenwürmer pro Quadratmeter zählt, tummeln sich beim Biobauern bis 400 und mehr Exemplare pro m2. Bei Gründüngung, Mischkulturen und nur oberflächlicher Bodenbearbeitung kann die Anzahl der Würmer und der Humusanteil des Bodens gesteigert werden. So profitiert auch die Artenvielfalt an der Oberwelt von den gut belebten Böden.

 


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