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Männlicher Gimpel
Veröffentlicht 02. März 2022

Der Gimpel – Prüfe, wer sich ewig bindet!

  • Text und Bild: Ernst Hofmann
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Ein leuchtend rotbrüstiger Vogel sitzt anfangs Januar direkt vor meinem Fenster auf einem Strauch und pickt nach Sämereien! Es ist ein prächtiger, männlicher Gimpel. Der Gimpel, oder auch Dompfaff genannt, ist eher ein scheuer, versteckt lebender Vogel, vorwiegend in Nadelwäldern. So gerne er sich im Sommer versteckt, so bereitwillig sucht der Gimpel im Winter Gärten, Sträucher und Futterstellen auf, wo er sich von Beeren, Nüssen, Baumfrüchten, Knospen und Sämereien ernährt.

Drei Dinge sind für den Gimpel kennzeichnend: Der dicke, kurze Schnabel, die schwarze Kappe und der weisse Bürzel – der Übergang vom Körper zum Schwanz. Eine Besonderheit ist, dass das Männchen und das Weibchen unterschiedlich aussehen. Er hat eine karminrote Brust, bei ihr ist diese unauffällig, bräunlich gefärbt. In der Fachsprache nennt man das «Geschlechtsdimorphismus». Die äusserlichen Unterschiede lassen darauf schliessen, dass die Geschlechter in der Partnerschaft unterschiedliche Rollen einnehmen. Das unauffällig getarnte Weibchen baut das Nest, brütet und hudert die Jungen alleine und schützt sie vor Beutegreifern. Mit der prächtigen Rotfärbung impo-niert das Männchen dem Weibchen in der Balzzeit und zeigt ihm an, dass er als Partner gesund und fit ist. Seine Rolle bei der Aufzucht der Jungen liegt im Verteidigen des Brutreviers und der Fütterung des Weibchens und der Nachkommenschaft.

Gimpel führen eine monogame Brutehe. Damit diese Ehe Bestand hat, durchlaufen die Partner zwei Verlobungen. Dompfaff-Kinder sind nach zirka zwei Monaten bereits mit Flirten beschäftigt – und zwar untereinander als Geschwister. Der Bruder macht der Schwester den Hof und die Schwester turtelt mit dem Bruder. Da sie sich in diesem Alter äusserlich und im Verhalten noch nicht unterscheiden, ergibt es sich oft, dass der Bruder dem Bruder und die Schwester der Schwester leidenschaftliche Anträge macht. Vom dritten Lebensmonat an beginnen die Jünglinge sogar ihren Partner zu füttern, wie Bräutigame in der Balz, und verhalten sich so wie ein richtiges Ehepaar. Dennoch ist das Geschwisterpärchen kein Ehepaar. Es ist eher ein Training des Eheverhaltens im Jugendalter.

Gegen Ende des ersten Kalenderjahres brechen die Beziehungen der Geschwisterpaare auseinander. Die Jungvögel bekommen nun das Erwachsenenkleid. Da sie nunmehr zwischen Männchen und Weibchen zu unterscheiden gelernt haben, wählen sie fortan nur noch Partner des andern Geschlechts und zwar ausserhalb der eigenen Geschwister. Richtige Ehepaare sind aber auch die zum zweiten Mal Verlobten noch nicht, denn ihre Geschlechtsreife tritt erst drei bis vier Monate später auf, im Frühling. Bei dieser zwei-ten Verlobung probieren sie aus, ob sie mit dem neuen Partner gut auskommen, um mit ihm eine lebenslange Ehe führen zu können. Die Tatsache, dass sich Männchen und Weibchen schon geraume Zeit vor der ersten Paarung zu einem festen Pärchen zusammenschliessen, ist Beweis für die Existenz eines Bindetriebes als Basis einer dauerhaften Ehe.

Ein weiteres Phänomen für die Anpassungs- und Lernfähigkeit des Gimpels zeigt uns der Gesang des männlichen Gimpels. Jünglingen von Dompfaffen ist der Gesang nicht angeboren, sondern sie lernen ihn vom Vater. Wächst er ohne Vater gemeinsam mit einem Kanarienvogel auf, so singt er nachher wie ein Kanarienvogel. Das geht sogar so weit, dass er als Vogelbaby durch das Vorpfeifen oder Vorspielen eines Liedes durch den Menschen dieses Lied aufnimmt und fehlerlos ein Leben lang von sich gibt.  So ist wie beim Menschen auch beim Gimpel nicht alles angeboren, sondern wird erst durch äussere Prägung geformt.

 


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