Zum Hauptinhalt springen
Veröffentlicht 07. August 2024

50 Stunden?

  • Bild: StartupStockPhotos auf Pixabay
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Die Arbeitszeit in den Schweizer Spitälern ist für Assistenz- und Oberärzte und -ärztinnen allgemein auf 50 Stunden festgelegt. Viele arbeiten jedoch deutlich mehr. Ist das gut und notwendig? Für meinen kurzen Artikel hier habe ich deshalb auch mit Kollegen und Kolleginnen und anderen im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen gesprochen und um ihre Einschätzung gebeten.

Es ist leicht für mich zu sagen, zu meiner Assistentenzeit, welche 9 Jahre Ausbildung in Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie beinhaltete, wäre ich für 60 Stunden die Woche sehr dankbar gewesen. Wir standen jeden Tag 8 Stunden und mehr im Operationssaal, wurden dort strikt angeleitet und geschult, kümmerten uns schon eine Stunde vor dem offiziellen Arbeitsbeginn um unsere Station und noch bis zum späteren Abend um Verbände und um das bisschen Administration, was uns damals auferlegt wurde. Wir wurden für genau 38,5 Stunden die Woche bezahlt, der Rest war «Goodwill», wir schenkten es quasi dem Spital und unseren Patienten und Patientinnen. Als ich als Assistentensprecher meines Spitals zu unserer Geschäftsleitung ging, um eine entsprechende zusätzliche Vergütung anzumahnen, wurde mir vorgeworfen, wir würden das Spital ruinieren wollen.

Aber das waren die 90er-Jahre. Heute gibt es eine Zeiterfassung, damals völlig unbekannt. Heute gibt es vier Stunden Fortbildung pro Woche. Die einzige Fortbildung, die ich damals ausserhalb des OP bekam, beschäftigte sich mit der Optimierung der Abrechnungsmöglichkeit bei Einführung der Fallpauschalen zur stationären Versorgung.
Eine gute Ausbildung wäre jedoch für unsere jungen Kollegen und Kolleginnen auch heute noch möglich, würde man sie innerhalb dieser 50 Stunden oder auch nur 42 Stunden pro Woche, die sie laut dem Schweizer Arbeitsgesetz eigentlich nur arbeiten müssten, von diesen überbordenden administrativen Tätigkeiten befreien.

Auf vielen Kongressen unterhalte ich mich mit jüngeren und gleichaltrigen Kollegen und Kolleginnen. Unsere Sorge: Wer operiert eigentlich uns einmal, wenn die «Boomer» medizinische Hilfe benötigen? Operieren lernt man nur durch viel Schulung, immer gleiche Abläufe und viel Operationszeit mit einem guten Lehrer. Wenn man aber die meiste Zeit mit Administration, Eingabe von Abrechnungsnummern und weiterer Dokumentation von Leistungen verbringt, kann man sie nicht am Patienten und im Operationssaal verbringen.

Laut einer Studie der Vereinigung Schweizer Assistenz- und Oberärzte denken bis zu 50 % der Assistenz- und Oberärzte/-ärztinnen darüber nach, ihren Beruf eventuell aufzugeben. Selbst bei Medizin-Studierenden sind es laut Umfragen bis zu einem Drittel. Der Anspruch der jungen Generation ist berechtigterweise, sich nicht mehr für den erwünschten Beruf aufopfern zu wollen. Diesem Wunsch müssen wir Sorge tragen. Und nicht in alte Stereotypen verfallen wie «so war das eben schon immer».

Dr. med. Michael Kettenring

 

Anzeige


Beitrag teilen: