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Veröffentlicht 03. März 2021

Der Bier-Block

  • Bild: Engin Akyurt auf Pixabay
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August Bier, ein Kieler Chirurg, stellte 1908 eine Technik zur regionalen Anästhesie vor, die bis heute fast unverändert gut funktioniert. Heute wird sie als IVRA, intravenöse Regionalanästhesie bezeichnet.

Ich habe diese Technik an meiner ersten Oberarztstelle von einem Narkosearzt gelernt und führe sie seitdem regelmässig, das heisst bei fast allen meinen Handeingriffen in der Praxis durch, um den Patienten eine schmerzlose Operation zu ermöglichen.

Bei der Regionalanästhesie nach Bier erfolgt die Injektion eines Lokalanästhetikums in den blutleer gemachten Arm. Durch Anheben des Armes und Auswickeln mit einer Gummimanschette wird das Blut aus dem Arm herausgewickelt, dann der obere Teil eines Doppeltourniquets am Oberarm mit Druck aufgepumpt, um ein Abfliessen des Betäubungsmittels zu verhindern und dann das Betäubungsmittel langsam injiziert. Es kommt dann innerhalb von 5–7 Minuten zu einer Gefühllosigkeit des Armes, nach dieser Zeit kann die Operation beginnen. Der obere Tourniquet, bei dem der Druck häufig als unangenehm empfunden wird, wird gelöst und der untere Anteil des Tourniquets stattdessen aufgepumpt, der schon im betäubten Gebiet liegt.

Wenn die Operation zu Ende ist, d.h. meist nach schon 10–12 Minuten, muss noch einige Minuten zugewartet werden, da sich das injizierte Betäubungsmittel erst abbauen muss. Dann wird der Tourniquet geöffnet und das Blut kann wieder in den Arm eintreten. Es dauert dann noch ca. 10–15 Minuten bis der Arm komplett wieder zu gebrauchen ist. Käme das Betäubungsmittel zu früh in den Kreislauf, bestünde die Möglichkeit einer Komplikation.

In 15 Jahren mit jährlich 80–100 Handeingriffen in IVRA trat noch niemals eine Komplikation in diesem Sinne auf. Die Rate ist auch in Studien als äusserst gering zu bezeichnen.

Voraussetzung ist jedoch eine zügige Operation. Dauert die Operation voraussichtlich länger als 45 Minuten, ist der Bier-Block aufgrund des Abbaus des Betäubungsmittels im Arm dann nicht mehr ausreichend, um eine regionale Betäubung aufrechtzuerhalten. Wie lange eine Operation dauert, sollte jedoch ein Chirurg vorher wissen und würde dann für diese Operationen auch eine andere Betäubungsmethode wählen.

Es gibt durchaus Patienten, die für diese Methode nicht geeignet sind (z.B. Schmerzpatientin, grosser Oberarmumfang). Für diese haben wir extra eine Narkoseteam, welches regelmässig vorbeikommt und auch andere Arten der Regionalanästhesie oder Vollnarkosen durchführt.

Dr. Michael Kettenring


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