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Veröffentlicht 27. März 2020

Eine kurze Geschichte des Fortschritts

  • Bild: Darko Djurin, Pixabay

Ich wurde gebeten, in diesen Zeiten einen, wenn möglich erfreulicheren Bericht zu verfassen, da wir alle dieser Tage genug Unerfreuliches lesen müssen.

Hier der Versuch:
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war die «Seitenkrankheit», wie man die Blinddarmentzündung früher nannte, meist ein Todesurteil für den betroffenen Patienten. Bis erstmals 1885 In den USA eine kontrollierte Blinddarmentfernung bei einer 22-jährigen Frau durchgeführt wurde, welche den Eingriff dann auch langfristig überlebte.

Vorher verstarben die Patienten meist an einer Bauchfellentzündung, da sich durch das Platzen des sogenannten Wurmfortsatzes, eines etwa 10 cm langen, kleinen Anhängsels am eigentlichen Blinddarm der Darminhalt in die freie Bauchhöhle ergiesst und sich dadurch eine den gesamten Körper erfassende Entzündungsreaktion bildet, welche dann zu einem Multiorganversagen führt.

Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Vorgehen bei Blinddarmentzündung standardisiert. Zu meiner eigenen Ausbildungszeit in den 90ern war quasi jeder einzelne Handgriff, fast jeder «Move» der Finger bei der Operation vorgegeben und festgelegt. Auch die Einstellung, dass über einer Blinddarmentzündung «die Sonne weder auf- noch untergehen» darf, herrschte vor.

Dies hat sich teilweise deutlich geändert. Würden wir heute jeden verdächtigen Befund operieren, würden viele Operationen völlig umsonst durchgeführt werden. Die Erfahrung des Chirurgen, die Vorgeschichte des Patienten, der Untersuchungsbefund, die Konstellation der Entzündungsparameter im Blut, evtl. bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Computertomografie ergeben letztendlich ein Gesamtbild, bei dem man sich dann für eine OP entscheidet oder auf zuwarten und kontrollieren setzt.

Inzwischen entfernt man den Wurmforstsatz des Blinddarms meist mittels Schlüssellochchirurgie, die Komplikationsraten sind gering. Es werden schon Überlegungen angestellt, evtl. primär antibiotisch zu behandeln und nicht immer zu operieren.

Was ich damit sagen möchte:

Der medizinische Fortschritt wird sich durchsetzen. Vertrauen wir auf diesen. Die Forschung wird einen Weg finden, in Zukunft diese Ausbrüche wie bei CoViD-19 zu beherrschen. Zu hoffen ist dies aber auch für Krankheiten, die nicht vorzugsweise die Industrienationen betreffen, wie zum Beispiel die Malaria, an der jährlich von der Welt weitgehend unbeobachtet, immerhin eine halbe Million Menschen sterben.

Dr. Michael Kettenring


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