Kleiner Schnitt, grosse Wirkung
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Bei vielen Operationen hat es im vergangenen Jahrzehnt eine deutliche Entwicklung hin zu kleineren oder kürzeren Operationszugängen gegeben. Manche Operationen lassen sich inzwischen komplett arthroskopisch durchführen, wie z.B. der Kreuzbandersatz oder die Sehnennaht an der Schulter. Bei anderen hat man neue Zugangswege etabliert, die zu weniger Gewebetraumatisierung und dadurch möglicherweise auch zu weniger Komplikationen oder weniger Schmerzen nach der Operation führen.
Ein Beispiel hierfür ist das Carpaltunnelsyndrom, bei dem der Medianusnerv durch ein über dem beugeseitigen Handgelenk kreuzendes Band eingeengt wird. Symptome sind das «Einschlafen» der Finger mit Ausnahme des kleinen Fingers (dieser wird durch einen anderen Nerv versorgt), Richtung Unterarm ziehende Schmerzen oder das Fallenlassen von Gegenständen. War für die Druckentlastung des Nervs früher ein längerer Zugang nötig, lässt sich heute die Spaltung des Bandes auch unter direkter Sicht ohne längeren Hautschnitt bewerkstelligen. Die Operation dauert nur noch wenige Minuten und ist unter Betäubung des Armes ambulant in der Praxis gut durchführbar. Auf eine längere Ruhigstellung der Hand kann verzichtet werden, falls notwendig schliesst sich eine ambulante handspezifische Physiotherapie an.
Ein weiteres Beispiel ist die Sehnennaht an der Schulter. Sie kann heute fast ausschliesslich per Schlüssellochtechnik durchgeführt werden. Der Vorteil liegt hier in den meist deutlich geringeren Schmerzen nach der Operation. Bezüglich der Haltbarkeit und Langlebigkeit der Sehnennaht hat es jedoch keine Verbesserungen gegeben. Prinzipiell ist die Haltbarkeit dieser Naht abhängig vom Verschleissgrad der Sehne, denn operativ muss man mit dem «Material» arbeiten, welches zur Verfügung steht. Weist die Sehne eben schon eine gewisse Degeneration auf, ist der spätere erneute Riss wahrscheinlicher als bei noch unbeschädigtem Gewebe.
Ein drittes und letztes Beispiel ist der Kreuzbandersatz. Als selbst Betroffener hat meine Operation 1985 ein sehr versierter Kniespezialist vorgenommen. Dafür waren 2 ca. jeweils 10 und 12 cm lange Zugänge mit kompletter Knieeröffnung notwendig. Heute brauche ich 3 kleine Stichinzisionen und einen ca. 4 cm langen Schnitt für die Ersatzsehnenentnahme. Das Knie wird nicht mehr eröffnet, die Operation verläuft komplett in Schlüssellochtechnik. Die Fixationstechniken des neuen Bandes haben sich deutlich verbessert, die Nachbehandlung ist kürzer und schmerzarmer. Also ein richtiger Durchbruch im Vergleich zum o.g. Beispiel an der Schulter.
Trotzdem wenden wir natürlich die Schlüssellochtechnik auch an der Schulter an (ich sogar fast ausschliesslich), da die Schmerzhaftigkeit nach der Operation deutlich reduziert ist.
Will nur heissen, nicht jede – oft auch von der Medizinindustrie propagierte – neue Methode mit kleinerem Zugang ist in jedem Fall eine Revolution für die Chirurgie.
Dr. Michael Kettenring
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