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Veröffentlicht 06. März 2017

Unnötige Operationen?

  • Bild: fernando zhiminaicela auf Pixabay
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Man liest immer wieder davon: unnötige Operationen. Und ja, es gibt sie. Und es gibt Studien, die eindeutig belegen, dass dies bei stationären Behandlungen auch vom Versicherungsstand des Patienten abhängig ist. Das heisst, privat oder halbprivat Versicherte werden deutlich häufiger operiert wie allgemein Versicherte. In Städten mit hoher Arztdichte ist dieses Phänomen besonders zu beobachten.

Das ist kein Ruhmesblatt für die Mitglieder der chirurgischen Fachrichtungen. Für viele Medikamente und Behandlungsmassnahmen gibt es inzwischen belastungsfähige Studien, die den Nutzen einer Therapie belegen oder eben auch nicht. Für viele Operationen gibt es diese Studien leider noch nicht.

Manchmal gibt es in unserem Fachgebiet keine Alternative zur Operation, beispielsweise bei einer akuten Blinddarmentzündung oder einem eingeklemmten Leistenbruch. Ob man jedoch bei einem Patienten ein gerissenes Kreuzband operieren muss, ist abhängig vom Alter, den sportlichen Ambitionen, der erreichbaren Stabilität ohne Kreuzband und von einigen anderen Faktoren mehr. Auch muss man sicherlich nicht jeden Riss eines Meniskus operieren oder jedes Kalkdepot an der Schulter entfernen. Und ähnlich ist es bei einigen Krankheitsbildern, vor allem auch an Schulter und Kniegelenk, den von mir häufig behandelten Gelenken.

Der Patient sollte durch eine entsprechende Aufklärung in die Lage versetzt werden, selbst eine Entscheidung zu treffen. Und möchte er diese noch absichern, wird kein verantwortungsvoller Chirurg etwas gegen die Einholung einer Zweitmeinung haben.

Entscheidet der Patient sich für eine Operation, muss es speziell bei der Behandlung des Bewegungsapparates ein gutes Zusammenspiel zwischen Operateur, Patient und Physiotherapeut geben. Funktioniert ein Teil dieser Dreierbeziehung nicht oder nicht ausreichend gut, wird das Ergebnis zwangsläufig unbefriedigend sein. Das heisst, auch der Patient trägt hier eine Eigenverantwortung, indem er sich beispielsweise an Vorgaben des Bewegungsausmasses oder der Gewichtsbelastung hält.

Schon gar keine Rolle spielen sollte bei der Entscheidung – Operation ja oder nein – der Versicherungsstatus des Patienten. Die Tatsache, dass dies aber anscheinend der Fall ist, sollte Politik und Gesellschaft zum Nachdenken darüber anregen, ob die derzeitige Organisation und vor allem die Anreize im Gesundheitssektor nicht verbesserungsfähig sind. Das Belegarztsystem ist hier durchaus hilfreich. Der Patient kann sich seinen behandelnden Arzt und Operateur an einem öffentlichen Spital am Beginn der Behandlung aussuchen – unabhängig von seinem Versicherungsstatus.

 

Dr. med. Michael Kettenring
Facharzt FMH für Chirurgie und Unfallchirurgie


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