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Veröffentlicht 25. Juni 2018

Der Abschied

  • Bild: Dimitris Vetsikas auf Pixabay
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Die Tränen kullern der jungen Mutter über die Wangen und ihre kleine Tochter schaut sie fragend an. Eben haben sie gemeinsam Abschied genommen von ihrer Katze, die sie fast zwei Jahrzehnte begleitet hat. Schon lange vor der Geburt des kleinen Mädchens war die Katze in der Familie und hat vieles miterlebt, war da um zu trösten oder hat einfach nur zugehört.

Als Kätzchen konnte man mit ihr spielen und schnurrend genoss sie die Streicheleinheiten auf dem Sofa. In den letzten Monaten ist sie aber immer schwächer geworden, hat kaum mehr gefressen und beim Tierarzt wurde dann mit einer Blutuntersuchung eine ungenügende Nierenfunktion festgestellt. Die Niereninsuffizienz ist eine häufige und bekannte Alterserkrankung und kann, wenn frühzeitig entdeckt, bis zu einem gewissen Masse behandelt werden, bzw. das Fortschreiten der Erkrankung kann gebremst werden. Auf Grund des hohen Alters (eine 20-jährige Katze kann mit einem 100-jährigen Mensch verglichen werden), und der in diesem Fall schlechten Prognose, hatten wir uns gemeinsam entschieden, keine Therapie mehr einzuleiten. Die Katze hatte ein gesundes und sorgenfreies Leben gehabt und sollte dieses in Würde und friedlich beenden dürfen. Einfach abzuwarten, bis das Tier auf Grund der Fressunlust und inneren Vergiftung immer schwächer wird und sterben würde, wäre für Tier und Besitzer unzumutbar.

Für Tierärzte ist die Euthanasie weit weniger schlimm als für Tierbesitzer. Denn wir verlieren damit nicht unsere langjährigen Begleiter. Nein, es ist sogar eine sehr würdevolle und dankbare Aufgabe, Tier und Besitzer auf diesem letzten Weg begleiten zu dürfen und den Abschied schmerzlos, ruhig und friedlich zu gestalten. Ob ein eingeschläfertes Tier danach kremiert/begraben oder durch die Tierarztpraxis zur Tierkörpersammelstelle gebracht wird, bleibt einzig und allein Entscheidung der Besitzer. Hier ist nicht die Tierliebe entscheidend, sondern der eigene individuelle Trauerprozess. Auf Wunsch kann eine geplante Euthanasie auch zu Hause angeboten werden. Das empfiehlt sich vor allem bei sehr ängstlichen oder nicht transportfähigen Tieren. Manchmal ist es auch das Anliegen der Besitzer, in vertrauter Umgebung den letzten Weg zusammen zu gehen. Andere wiederum möchten das traurige letzte Kapitel lieber nicht zu Hause schreiben, sondern in der Praxis. Nicht selten verlassen die Kunden die Praxis erleichtert, weil die sorgenvolle, lang hinausgezögerte Aufgabe nun getan ist. Im Wissen, das Richtige getan zu haben für die langjährigen, treuen Begleiter, welche immer da waren, wenn man sie brauchte.


Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. Küng AG, 6215 Beromünster, www.kleintierpraxiskueng.ch


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