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Veröffentlicht 03. November 2021

Geriatrisches Vestibularsyndrom

  • Text: Eing.
  • Bild: No-longer-here auf pixabay.com

Wann waren Sie das letzte Mal auf dem Karussell? Haben Sie es gut vertragen oder wurde Ihnen schwindlig? Oder erinnern Sie sich noch an folgendes Spiel: Zeigefinger auf den Boden, sich im Kreis zehnmal schnell um den Zeigefinger drehen, danach aufstehen und schön geradeaus laufen? Mir wird inzwischen bereits auf dem Rittiseili übel und nach dem Karussell dreht sich alles um mich herum. So ähnlich muss sich auch der alte Hund gefühlt haben, als er am Morgen aufzustehen versuchte und dabei umgefallen ist. Verständlicherweise sind die Besitzer beunruhigt: Ein «Schlägli»?

In der Praxis kann der 14-jährige Mischling mit etwas Unterstützung gehen, aber er habe nichts gefressen. Ein Blick in seine Augen und wir wissen um was es sich vermutlich handelt. Denn die Augen bewegen sich spontan langsam auf die eine Seite um dann sehr schnell wieder zurück auf die Ausgangsposition zu schnellen. Dies nennt man Nystagmus und er entsteht durch Fehlinformationen des Gleichgewichtsorgans. Dieses befindet sich im Innenohr und hat die Aufgabe die Lage des Körpers wahrzunehmen, also zu merken wo oben und unten ist, und ob wir uns drehen. Zusammen mit den Informationen der Augen weiss das Gehirn dann genau Bescheid über die Lage des Körpers und gibt Befehle an Nerven und Muskeln zur allfälligen Korrektur. Bei unserem Hund liegt nun eine Störung in diesem Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) vor und meldet falsche Signale. Für den Hund dreht sich die Welt um ihn herum, was die Augen veranlasst diese abnormen Bewegungen zu zeigen. Wenn sie im Zug aus dem Fenster schauen passiert das gleich mit ihren Augen. Das Drehen oder der Schwindel verursacht die Gangstörung (Ataxie) und die Übelkeit, weshalb der Hund nicht frisst. Den Grund für die Störung im Gleichgewichtsorgan herauszufinden ist sehr schwierig, und da es sich um eine typische Erkrankung von alten Hunden handelt («geriatrisches Vestibularsyndrom») ist der Aufwand für Untersuche zum Ausschluss von Tumoren (mit CT/MRI), welche sowieso nicht behandelt werden könnten, oft nicht gerechtfertigt. Wenn kein Tumor für die Störung verantwortlich ist, so erholen sich die Hunde meist mit unterstützenden Medikamenten gegen Entzündung und Übelkeit, sowie zur Förderung der Gehirndurchblutung nach 2-3 Tagen. Sollte das Management zu Hause (Hilfe beim Gehen und Versäubern) schwierig sein, kann der Hund auch stationär betreut werden. Oben genannter Hund ging mit den Medikamenten wieder nach Hause und erholte sich vollständig, eine Zeit lang zeigte er noch eine Kopfschiefhaltung bis das ganze Gleichgewichtssystem wieder richtig justiert war.

Dr. med. vet. Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. S. Küng AG, 6215 Beromünster, www.kleintierpraxiskueng.ch

 


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