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Veröffentlicht 22. Juni 2020

Kaumuskelatrophie beim Hund

  • Bild: Péter Göblyös auf Pixabay

Was denken Sie, liebe Leser, wo befinden sich die Kaumuskeln des Hundes? Nicht etwa an den Backen, sondern oben auf dem Kopf und sie sind wegen ihrer starken Beanspruchung mit speziellen Muskelfasern ausgerüstet. Beim Labradorrüden, welcher vor uns stand, war diese Muskulatur massiv zurückgebildet, abgebaut oder im Fachjargon: «atrophisch». Der Knochenkamm des Schädels war deutlich sicht- und spürbar und die Augen des Hundes lagen relativ tief in den Augenhöhlen.

Drei Gründe können für einen Muskelschwund der Kaumuskeln hauptsächlich verantwortlich sein: Erstens eine Autoimmunerkrankung, bei welcher der eigene Körper spezifische Abwehrkörper gegen diese speziellen Muskelfasertypen bildet. Dies führt dann zuerst zu einer schmerzhaften Entzündung und danach zu einem Ab- und Umbau der Muskulatur in Bindegewebe. Zweitens kann eine neurologische Störung, d.h. eine Lähmung von Nervenfasern, die diese Muskeln und einen Teil des Kopfgebietes versorgen, für den Abbau der Muskelmasse verantwortlich sein. Und als dritte Möglichkeit führt ein Zahnproblem und die damit verbundenen Zahnschmerzen dazu, dass der Hund nicht mehr kaut, was zur Muskelatrophie führt. In allen drei Fällen fällt den Besitzern aber auf, dass die Hunde nicht mehr kauen (sei es wegen den Schmerzen oder der Lähmung).

Dieser Labradorrüde kaute aber mit Herzenslust und mühelos an harten Kauartikeln und zeigte absolut keine Schmerzen dabei. Auch der Untersuch an Kopf und Zähnen war unauffällig, das Maul liess sich weit öffnen und die Gutelis schluckte er problemlos. Da kratzt sich der Tierarzt am Kopf oder Kinn und atmet mal tief durch. Grosse Fragezeichen tauchen auf und in einer freien Minute zwischen den Sprechstunden fragen auch wir mal «Dr. Google» nach Rat. Könnte es eine Nebenwirkung des Medikamentes sein, welches der Hund seit etwa 6 Monaten mit gutem Erfolg gegen Ohrenentzündung und Durchfall einnimmt? Noch nie gesehen, aber durchaus möglich. Von den Spezialisten am Tierspital wird mir dieser Verdacht bestätigt, da angeblich in ihrem Patientengut diese Nebenwirkung ab und zu beobachtet werde, gerade bei grös­seren Hunden. Für mich war diese Nebenwirkung jedoch neu und somit hatte ich wieder etwas dazugelernt. Ob sich die Kaumuskeln wieder aufbauen und ob die ursprünglichen Symptome nicht wieder zunehmen, wenn wir die Medikamentendosis versuchen zu reduzieren, wird sich zeigen. Zum Glück ist diese Kaumuskelatrophie für Hund und Besitzer nur ein ästhetisches Problem.

Dr. med. vet. Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. S. Küng AG, 6215 Beromünster, www.kleintierpraxiskueng.ch

 


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