Produktionsfehler
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Der Speichel läuft dem 4 Monate alten Kätzchen aus dem Mund und das Transportkistchen ist tropfnass. Dies ist nun bereits das zweite Mal, dass die Besitzer ihr Kätzchen so zu Hause vorfinden. Diesmal aber lag noch ein Pflanzenteil des «Fensterblattes» (Grünpflanze Monstera) neben dem Kätzchen. Kurz nachgeschaut und siehe da: Giftig! Symptome: Speicheln und Schluckbeschwerden, Brennen im Mund. Der Fall scheint klar: Die Pflanze wird entfernt.
14 Tage später wird die Heilige Birma notfallmässig in die Praxis gebracht: Die Besitzer befürchten, das Kätzchen werde sterben. Nachdem es an Heiligabend eine weitere Krise mit Speicheln und Apathie erlebte, aber nach wenigen Stunden wieder munter war, ist der Zustand jetzt sehr kritisch. Sie wurde früh am Morgen in Seitenlage im Urin und Durchfall liegend vorgefunden, kann nicht mehr stehen und reagiert nicht auf Reflextests. Also ernsthafte neurologische Probleme, welche nichts Gutes vermuten lassen. Weitere Abklärungen müssen aber in einer Tierklinik getroffen werden und das wird teuer, dazu ohne Garantie auf Heilung. Wie würden Sie entscheiden? Auch für uns ist eine Empfehlung nicht ganz einfach, eines ist aber sicher: Es ist die einzige Chance das kleine Samtpfötchen zu retten und die wollen die Besitzer packen und fahren in die Klinik. Wir geben der Familie verschiedene Vermutungen über mögliche Ursachen der Erkrankung mit auf den Weg und nach Ultraschall- und Blutuntersuchungen wird eine davon dann auch durch die Spezialisten bestätigt: Eine angeborene Gefässmissbildung «extrahepatischer portosystemischer Shunt» genannt, wird festgestellt. Also quasi ein «Produktionsfehler». Einfach ausgedrückt, hält sich ein Gefäss, das Blut vom Verdauungstrakt in die Leber führen sollte, nicht an den Bauplan des Körpers und führt um die Leber herum direkt in die zum Herzen führende Vene. Also, wie wenn der Elektroinstallateur den Elektroplan nicht genau liest und das Leerrohr falsch verlegt. Beim Elektriker fehlt dann der Anschluss an der Steckdose und beim Kätzchen gelangt ungefiltertes, nicht entgiftetes Blut auch ins Gehirn und löst diese neurologischen Symptome aus. Um den Fehler zu korrigieren muss der Elektriker spitzen und der Tierarzt operieren. Hoffen wir, dass die schwierige Operation gelingen wird! Immer, wenn wir mit Missbildungen konfrontiert werden, fragen wir uns, wieso das passiert? Aber andererseits muss ich auch immer wieder staunen, wie genial eigentlich die Entstehung eines Lebewesens ist, weil in den meisten Fällen eben alles nach Plan funktioniert. Ich denke, es gibt mehr falsch verlegte «Stromerröhrchen» als Missbildungen.
Dr. med. vet. Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. S. Küng AG, 6215 Beromünster, www.kleintierpraxiskueng.ch
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