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Mit diesem Boot überprüft eine Tauchequipe des Archäologischen Dienstes der Stadt Zürich die sechs bekannten Fundstellen im Hallwilersee und sucht nach neuen Pfahlbauten. Hier setzt eine Archäologin eine temporäre Boje zur besseren Orientierung.
Veröffentlicht 01. Mai 2024

Auf der Suche nach weiteren Pfahlbauten

  • Text: Patrick Zehnder, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
  • Bild: zVg.

«Noch vier, noch drei, noch einen Meter.» Schon plumpst das Gewicht unter der orangen Boje ins klare Wasser und wirbelt in drei Meter Tiefe etwas Seeboden auf. Gekommen ist sie vom Boot mit dem Kennzeichen ZH 198. Darauf eine Equipe von der Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich. Sie hat den Auftrag, den Hallwilersee im Oktober 2022 systematisch nach Fundstellen von Pfahlbauten abzusuchen. Zum letzten Mal liess die Kantonsarchäologie Aargau dies 1996 von den Zürcher Kollegen vornehmen. Sechs Fundstellen aus dieser Zeit, darunter das Meisterschwander Erlenhölzli, sind rund um den Hallwilersee bekannt, zum Teil schon lange.

Das Aargauer Seetal liegt zwischen den ältesten jungsteinzeitlichen Siedlungen des Mittellandes – im luzernischen Wauwilermoos im Westen und in der Stadt Zürich im Osten. Dazu gehört wohl auch ein bedeutender Friedhof auf dem Goffersberg bei Lenzburg. Eine eigentliche Sensation, eine Seltenheit aus dieser Phase der Geschichte. Es ist frisch an diesem Herbstmorgen. Leichter Nebel auf der Wasseroberfläche stört die Schwäne, Blässhühner, das Ruderboot und die Segeljacht aber nicht. Vielmehr verspricht er einen sonnigen Nachmittag.

Wenige Minuten vorher ist die dreiköpfige Equipe vom Meisterschwander Seezopf her auf den Hallwilersee gefahren und hat die blau-weisse Taucherflagge gesetzt. Unmittelbar danach ist ein Taucher ins Wasser geglitten. Seine Aufgabe ist es, den Untergrund systematisch nach Spuren von menschlichem Leben abzusuchen. Das können Holzpfähle von Häusern, Stegen oder Plattformen sein. Das wäre den Archäologen am liebsten. Werden nämlich Keramikscherben oder Stücke von Feuersteinen gefunden, dürfte die Fundstelle schon gefährdet sein. Der Tauchgang wird von einem GPS-Gerät aufgezeichnet.

Wo das Wasser mit den Bojen spielt, sticht später eine Taucherin – auch sie studierte Archäologin – Bohrungen aus dem Seeboden. Sie reichen mehr als zwei Meter in die Tiefe. Und sie fördern verschiedene Schichten der weissen Seekreide zu Tage, etwas Wurzelwerk der nahen Seerosen und im besten Fall Überreste einer alten Siedlung. Auf diese dunkle Kulturschicht hofft die Archäologin am meisten, weil sie Kohle, Essensreste, Textilien und weiteres enthält und sich mit der Radiokarbonmethode auch zeitlich einordnen lässt. Mit einer Maurerkelle fährt sie über die Probe. «Nichts von Interesse!» Weiter zur nächsten Bohrung.

Ein Indiana-Jones-Moment?
Der Dritte im Bunde überwacht die Arbeit, steuert das Boot und verzichtet für einmal auf einen Tauchgang. Gemeinsam haben die Archäologen auf der Grundlage von Fotografien aus der Luft festgelegt, welche Flächen sie unter die Lupe nehmen. Entschieden hat sich das Team für ein Gebiet am rechten Seeufer. Es handelt sich um eine Strandplatte, wo der See auf einer Fläche von 200 auf 200 Meter nur wenige Meter tief ist. Vielleicht befand sich hier vor knapp drei Jahrtausenden eine weitere Siedlung. Es ist ein Versprechen in seichtem Gewässer. «Pfähle!», gurgelt die Stimme des Tauchers durch das Kommunikationssystem, das auch die Atemgeräusche des Froschmannes anzeigt.

Kurz blitzt es auf in den Augen der beiden anderen: ein Indiana-Jones-Moment? Das könne sein, am ehesten wohl Überbleibsel einer Fischfanganlage aus dem Mittelalter. Sicher lässt sich das erst sagen, wenn die Jahrringe des abgesägten Holzstücks analysiert sind. Die Unterwasser-Fotokamera hält die Situation fest. Zurück bleibt nur eine weitere Boje, die die Pfähle anzeigt. Es bleibt vorläufig alles in der Schwebe. Auch ob der abgesuchte Ort überhaupt zu einer archäologischen Fundstelle erklärt wird.

Unwahrscheinlich ist dies nicht; gerade in Sichtdistanz auf der Halbinsel Riesi lebten in der späten Bronzezeit Menschen mit ihren Tieren. Ausgegraben in den 1920er-Jahren, steht die Stätte unter dem Schutz der Unesco. Und auch das Erlenhölzli vor Meisterschwanden ist nicht weit. Tatsächlich bohren die Taucher bis zum Ende der dreiwöchigen Suche zwei verschiedene Kulturschichten an. Drei Meter dick von Seekreide überlagert, sodass ein längerer Bohrer nötig wird. Vor dem Obermoos von Boniswil entdecken die Unterwasserarchäologen sogar eine ganz neue Fundstelle. Scherben von Gefässen und grobe Holzkohle wecken Hoffnungen. Das alles zeigt, dass der Hallwilersee archäologisch noch wenig erforscht ist. Man sei in der Phase des Kennenlernens, lächelt der Leiter der Tauchequipe und blinzelt in die wärmende Sonne.

Lesen Sie hier weiter:
www.meisterschwanden.ch/dorfleben/kultur/dorfchronik.html/493

Weiterführende Links:
www.ag.ch/archaeologie
www.ag.ch/podcast-riesi
www.ikonaut.ch/seengen-360-riesi
www.ag.ch/pfahlbauten


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