Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: Die «Visitenstube des Aargaus»
- Text: Simon Steiner, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
- Bild: zVg.
Verkehr und Tourismus in Meisterschwanden
Das Seetal war bereits zu römischer Zeit direkt mit den Hauptverkehrsachsen verbunden. Vermutlich im ersten Jahrhundert nach Christus entstand eine Strasse vom heutigen Lenzburg via Seengen in Richtung Alpen. Die genaue Streckenführung ist nicht bekannt, wahrscheinlich führte sie via Zugerland zu den Bündner Pässen. Für das Spätmittelalter ist eine Strasse am rechten Hallwilersee-Ufer belegt, die wohl als Nord-Süd-Verbindung auch vom Handelsverkehr zwischen den Städten benutzt wurde. Sie führte durch Tennwil und Meisterschwanden, wo sie bei der Mühle den Dorfbach überquerte. Daneben existierten schon damals Querverbindungen ins Bünz- und Reusstal.
In Tennwil gab es seit dem 17. Jahrhundert eine Taverne, die Reisende beherbergte. Der Gasthof Schwanen in Meisterschwanden diente im 19. Jahrhundert als sogenannte Salzstation. Fuhrleute konnten hier bei ihren Salztransporten von den Salinen am Rhein in die Innerschweiz übernachten und ihre Pferde einstellen. Der Ausbau der Strassen nach Seengen (1866/67) und Aesch (1870/71), die Eröffnung der Seetalbahn 1883 am gegenüberliegenden Ufer und der Beginn der Dampfschifffahrt 1888 trugen dazu bei, die Gemeinde Meisterschwanden besser an die Hauptverkehrswege anzubinden.
Ausflugsziel für Touristen
Unter diesen Voraussetzungen begann sich ab dem späten 19. Jahrhundert auch ein moderater Fremdenverkehr zu entwickeln. Bereits zuvor hatte die Kuranstalt Brestenberg in Seengen, die 1844 ihren Betrieb aufgenommen hatte und mit der Zeit europaweit bekannt wurde, gut betuchte Gäste angezogen. Um die Jahrhundertwende setzten mit der Gründung des Verkehrsvereins für das See- und Oberwynenthal aktive Bemühungen ein, vom Tourismus-Boom in der Schweiz zu profitieren. Der 1898 gegründete, kantonsübergreifende Verkehrsverein, bei dem der Seetalbahn-Direktor und Wirtschaftsförderer Theophil Schmidlin (1859 – 1925) aus dem luzernischen Hochdorf als Lokomotive wirkte, formulierte seine Absicht klar: «Schon seit geraumer Zeit waltete […] der Gedanke, man sollte etwas tun, um […] den von Jahr zu Jahr zunehmenden Strom von Touristen, welche sich jährlich nach der Schweiz begeben und grosse Summen in unserem Lande verausgaben, in vermehrtem Masse nach dem schönen See- und Wynenthal zu lenken und zu längerem Aufenthalt zu veranlassen.»
Mit dem Verkehrsverein Meisterschwanden entstand bald eine lokale Sektion, die sich insbesondere für die Verbesserung der Spazierwege sowie die Einrichtung und den Unterhalt von Ruhebänken einsetzte. In der Folge nahm die Bedeutung der Hallwilersee-Region als Ausflugsziel besonders für Schweizer Besucher zu. Die Regulierung der Arbeitszeit liess seit dem späten 19. Jahrhundert ein zunehmendes Freizeitbewusstsein in der breiten Bevölkerung wachsen, der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur erleichterte das Reisen. 1916 nahm die Wohlen-Meisterschwanden-Bahn nach langer Planung ihren Betrieb auf, parallel dazu wurde mit dem Verkehrsverein Bünztal-Seetal eine weitere regionale Organisation gegründet.
Naherholungsgebiet am See
Die Region positionierte sich mit ihren landschaftlichen Reizen und ihren historischen Denkmälern (Schlösser, Pfahlbauerstätten) als Naherholungsgebiet. Das Seetal erwarb sich den Ruf der «Visitenstube des Aargaus», neben Aktivitäten am Wasser lockte die Aussicht auf See und Alpen auch zu Wanderungen. «Das sommerliche Prachtwetter hat die Ufer des lieblichen Hallwilersees sowohl durch den Zuzug von Touristen als auch von Erholungsuchenden rasch bevölkert», schrieb die Neue Zürcher Zeitung im August 1926 in ihrer Saisonrundschau. «Wer Ruhe, den Genuss stiller Naturschönheiten, ein erquickendes Seebad, bequeme Spaziergänge und wohlschmeckende Fischgerichte liebt, finde das am Hallwilersee in Fülle.»
Mit der Seerose und dem Delphin verfügte Meisterschwanden über zwei Ausflugsrestaurants mit Pension und eigenem Landesteg für die Schifffahrt, die im Lauf des 20. Jahrhunderts schrittweise ausgebaut und modernisiert wurden. Die Strandbäder bei der Seerose (1928) und in Tennwil (1935) – letzteres bald auch mit Campingplatz – zogen weitere auswärtige Gäste an. Gleichzeitig stieg der Druck auf die Natur, deshalb wurde 1935 eine Schutzzonenverordnung für den Hallwilersee in Kraft gesetzt. Dass Meisterschwanden auch zum beliebten Ziel für Schulreisen wurde, ist nicht zuletzt das Verdienst von Wilhelm Wiss (1873–1946). Der langjährige Lehrer in Meisterschwanden und Fahrwangen, Betriebschef der Dampfschiffgesellschaft und Präsident des Verkehrsvereins bewarb die Destination gezielt.
Als Folge der Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg und mit dem Ausbau der Strassen reisten die Gäste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt mit dem Auto an. Der Besucherzustrom überlastete die Parkplatz-Infrastruktur besonders an sonnigen Sommer-Wochenenden regelmässig. Der Tagestourismus macht auch im frühen 21. Jahrhundert den Hauptteil der auswärtigen Gäste aus, insbesondere für die beiden Seehotels ist auch der Seminar- und Erholungstourismus (Wellness) von Bedeutung. Als regionale Förderorganisation wirkt der Verein Seetal Tourismus.
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