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Die Michaeliskarte entstand zwischen 1837 und 1843 und basierte auf einer exakten Vermessung des Aargaus (AGIS). Rechts: Joseph Victor von Scheffel
Veröffentlicht 03. Juli 2024

Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: «Die Lage des Dorfes am Hallwyler-See ist sehr angenehm, gesund und der Landescultur günstig»

  • Text: Patrick Zehnder, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
  • Bild: zVg. / AGIS

Tennwil und Meisterschwanden im 19. Jahrhundert
Der 1803 gegründete Kanton Aargau begann seine Bezirke, Kreise, Dörfer und Weiler nach und nach statistisch zu erfassen. Dazu bereiste Aargauer Kantonsarchivar Franz Xaver Bronner (1758 –1850) in den frühen 1840er-Jahren den ganzen Kanton – zu Fuss wohlgemerkt. Und was berichtete er über das rechte Hallwilerseeufer? Etwas summarisch hielt er fest: «Tennwyl, Gemeinde in der Pfarre und im Kreise Seengen, Bezirkes Lenzburg, mit 129 männlichen, 134 weiblichen, zusammen 263 Einwohnern in 13 mit Ziegeln, 23 mit Stroh gedeckten Wohnhäusern, nebst 7 Nebengebäuden mit Ziegeldächern, Filialdorf der Gemeinde Seengen am Hallwyler-See, etwa drei Viertelstunden von seinem Pfarrorte.»

Und eine gute Viertelstunde Fusswegs weiter wurde Bronner geradezu euphorisch: «Meisterschwanden, Dorfgemeinde im Kreise Seengen und im Bezirke Lenzburg, mit 310 männlichen, 311 weiblichen, zusammen 621 Einwohnern in 20 mit Ziegeln, 49 mit Stroh gedeckten Häusern, nebst 15 mit Ziegeln und 1 mit Stroh gedeckten Nebengebäuden. Die Lage des Dorfes am Hallwyler-See ist sehr angenehm, gesund und der Landescultur günstig. Die Fruchtbarkeit des Bodens, der Fleiss des Volkes und die sparsame Lebensart der Familien hat hier manchen Hausvater wohlhabend gemacht. Die Pfarre und die Kirche sind neu errichtet und zwischen den Dörfern Fahrwangen und Meisterschwanden, die vorher Filiale von Seengen waren, so angebracht, dass beide Gemeinden gleich weit zur Kirche haben. Auf einer kleinen Anhöhe zwischen beiden steht die neue Kirche mit dem Pfarrhofe. Im Mittelalter hatte dieser Ort seine eigenen Edelleute; schwache Mauerreste ihrer Burg finden sich noch im nahen Luzerner-Gebiete, nicht weit von Meisterschwanden.» Die Burg ist zwar bis heute nicht gefunden, aber wer weiss, was die Fortschritte in der Archäologie bringen werden?

Fast gleichzeitig mit Bronners Aufzeichnungen bemühte sich der Kanton Aargau um die Kartierung seines Territoriums. Damit beauftragt wurde Heinrich Ernst Michaelis (1794 – 1873), der die 18 Messtischblätter für die «Topographische Karte des eidgenössischen Kantons Aargau» erstellte. Damit schuf er in unserer Gegend die Grundlage für die spätere Dufour-Karte, die die ganze Eidgenossenschaft abbildete.

Badischer Dichter durchstreift die Region
Zwei Jahrzehnte später wurde unsere Gegend zum Reiseziel des badischen Dichters Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886). Am bekanntesten sind seine volkstümlichen Werke «Der Trompeter von Säckingen» und die Liedersammlung «Gaudeamus». Scheffel floh aus Karlsruhe vor seiner Familie und auch aus sogenannter Poetennot, wie die Zeitgenossen eine Schreibblockade nannten. Der Schriftsteller hielt sich in den 1860er-Jahren mehrere Male in der Kuranstalt Brestenberg auf. Scheffels Kur bestand einerseits aus Ruhe, Diät und medizinisch verordneten Bädern, anderseits aus ausgedehnten Wanderungen, auf denen er historische Stätten, die Aargauer Kleinstädte und Dörfer besuchte. Er zeichnete die Landschaft und dichtete – auch über das Seetal, wobei ihm der See und das Panorama besonderen Eindruck machten.

Der Hallwilersee
In des Weltlärms Hast und Gellen
Denk’ an diesen stillen See,
Freudig spiegeln seine Wellen
Sonnenlicht und Alpenschnee.
Ihn erfüllt kein stürmisch Tosen,
Keine farbenwilde Glut,
Doch die schönsten weissen Rosen
Tauchen träumend aus der Flut.
Und so sei er heut und immer
Gleichnis dir und Ebenbild …
Sonder Prunk und falschen Schimmer,
Einfach, heiter, klar und mild.

Joseph Victor von Scheffel pflegte Beziehungen zur besseren Gesellschaft zwischen Seengen und Seon, freute sich aber auch am Austausch mit Fischern, Winzerinnen und Bauersleuten. Bei seinem zweiten Kuraufenthalt im Brestenberg von März bis November 1862 kam er auch in Kontakt mit Meisterschwanden und Tennwil. Damals war Scheffel ausserhalb der Kuranstalt in einem Zimmer im sogenannten Neuhaus einquartiert, bei Witwe Verena Siegrist (geb. 1791), die mit dem Meisterschwander Salomon Siegrist (1764 – 1833) verheiratet gewesen war. Er war ein Verwandter der Müllerfamilie von Meisterschwanden, die jahrzehntelang die Lochmühle besass und betrieb.
Belegt ist in Scheffels Schriften auch ein Spaziergang vom Februar 1861, auf dem er in Tennwil den folgenden Spruch auf einer Hausfassade notierte:

«Fluch und schwoer nicht in meinem Haus
Oder gehe bald zur Thür hinaus.
Sonst wird Gott vom Himmelrich
Strafen Dich und mich zuglych.»

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