Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: «Ein Dorf wie eine Stadt, am See erstanden»
- Text: Patrick Zehnder
- Bild: Staatsarchiv Aargau
Tennwil und Meisterschwanden in der Statistik des 19. Jahrhunderts
Als 1803 der Kanton Aargau entstand, begann die noch kleine Kantonsverwaltung nach und nach seine Bezirke, Kreise, Dörfer und Weiler zu erfassen. Dazu legte sie Grundbücher an, zählte die Bevölkerung und das Vieh, erhob erste Steuern und machte sich an die Sanierung der Infrastruktur – vor allem von Strassen und Brücken. Die administrative Tätigkeit intensivierte der moderne Schweizer Bundesstaat von 1848. So gab es bereits zwei Jahre später eine erste Eidgenössische Volkszählung.
Damals, im Jahr 1850, lebten in Meisterschwanden 737 Personen, Tennwil wies eine Bevölkerungszahl von 283 aus. Genaueres verraten die Zahlen von 1860: Meisterschwanden wies in 81 Häusern nicht weniger als 132 Haushaltungen mit 748 Einwohnerinnen und Einwohnern aus. Davon bekannten sich 721 zur evangelisch-reformierten und nur 26 zur katholischen Konfession. In Tennwil zählte man 34 Häuser mit 47 Haushaltungen, wo 232 Menschen lebten. Bis auf zwei waren alle reformiert. Interessant sind hier die Unterschiede: In einem Tennwiler Haushalt wohnten nicht einmal fünf Leute, während es in Meisterschwanden fast sechs waren. Im Nachhinein ist es schwierig zu beurteilen, ob die beengten Verhältnisse auf die örtliche Industrie zurückgehen oder aber auf die grossen stolzen Bauernfamilien.
Stagnation bis 1950
Die letzte Eidgenössische Volkszählung vor der Verschmelzung der beiden Ortsteile fand 1888 statt. Eine hartnäckige Wirtschaftskrise hatte unterdessen zu einem Bevölkerungsrückgang geführt. In Tennwil waren noch 218 ständige Einwohner anzutreffen, davon 182 mit Ortsbürgerrecht. 282 Heimatberechtigte wohnten zudem auswärts. Sie wurden mit Blick auf die damalige Fürsorge in die Statistik aufgenommen. Wäre jemand in Not geraten, hätte die Person von der Heimatgemeinde aufgenommen und im Armenhaus untergebracht und versorgt werden müssen. Von den 723 Meisterschwanderinnen und Meisterschwandern zählten 534 zu den Ortsbürgern, bei 728 Heimatberechtigten in anderen Schweizer Gemeinden oder im Ausland.
Nach der Verschmelzung von Tennwil und Meisterschwanden zählte die Gemeinde 1113 Einwohnerinnen und Einwohner. Dieser Wert von 1900 wurde erst 1960 wieder übertroffen, als das Dorf zu seinem Höhenflug ansetzte.
Doch die eidgenössischen und die kantonalen Behörden interessierten sich nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für das Wirtschaftsleben. Das galt allen voran für die wachsende Industrie. Als Grundlage für das Eidgenössische Fabrikgesetz, das 1878 knapp angenommen in Kraft trat, erhoben die Kantone eine statistische Grundlage. Im Aargau geschah dies 1870 im Zuge der Volkszählung. In Tennwyl, wie die Beamten den Ortsnamen festhielten, gab es damals keine Fabriken oder Industriebetriebe.
Stroh, Rosshaar, Geflechte und Getreide
In Meisterschwanden dagegen produzierten in jenem Jahr acht Fabrikbetriebe, in denen 93 Frauen und 156 Männer ihr Auskommen fanden. Dazu zählte die Mühle, die schon seit Jahrhunderten Getreide verarbeitete. Jüngeren Datums war eine Hutfabrik mit 15 Arbeitern und 60 Arbeiterinnen, ebenso sechs Pferdehaar- und Strohfabriken. Bis auf eine waren alle mit Handwebstühlen ausgestattet, nur die eine mit mechanischen Einrichtungen, angetrieben vom Dorfbach. Insgesamt drehten in Meisterschwanden 13 896 Spindeln, 8500 davon in der genannten mechanisierten Fabrik.
In den folgenden Jahrzehnten wurden die Industrie und das Gewerbe im Dorf vielfältiger. Ein Festgedicht, das 1925 für die Aargauische Gewerbeausstellung in Baden entstand, lobt das Seetal in den höchsten Tönen.
«Im Reim geht’s weiter gleich nach Meisterschwanden.
Ein Dorf wie eine Stadt, am See erstanden.
Hier sagt die Chronik: Kartons, Strohgeflechte,
Wegsichre Treppen, breite, starke, rechte,
Und gegen Tag- und dunkle Nachtgespenster
Gutschliessende, im Riegel feste Fenster.»
Lesen Sie hier weiter: www.meisterschwanden.ch/dorfchronik
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