Zum Hauptinhalt springen
Veröffentlicht 05. März 2025

Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: Schulmeister Döbeli und seine 115 Kinder

  • Text: Simon Steiner, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
  • Bild: Sammlung Gemeinde Meisterschwanden / Gemeindearchiv Meisterschwanden

Ein Blick in die Geschichte der Meisterschwander Schule
Um die Tennwiler Schule war es schlecht bestellt. Die Gemeinde konnte sich kein Schulhaus leisten, sodass der junge Lehrer Jacob Fischer die 52 Kinder in der Stube seines Vaters unterrichten musste. Dieser hatte sich als wohlhabender Bauer gut zureden lassen, das grösste Zimmer im Dorf noch einmal einen Winter lang zur Verfügung zu stellen. Einen Stubenzins erhielt er dafür nicht, einzig einen Karren Brennholz zum Heizen konnte die Gemeinde beisteuern. Dieses Resultat ergab 1799 die Umfrage von Philipp Albert Stapfer, der sich als Bildungsminister in der Helvetik ein Bild vom Stand des Schulwesens im Land machen wollte.

Die Antwort aus Tennwil lässt sich als Hilferuf verstehen. Da die Schulen der Nachbardörfer bereits selbst überfüllt waren, konnten diese auch nicht aushelfen. Schulmeister Fischer erhielt von der Kirche einen Lohn von 12,5 Gulden und fünf Viertel Bodenzins Kernen für den Winter, von der Gemeinde 22 Gulden. Da er als «ein wahrer Schönschreiber» galt, konnte er sich im Sommer mit Kopierarbeiten und als Verwaltungsbeamter für die helvetischen Behörden einen Batzen hinzuverdienen.

schulzimmerSchulzimmer der Sekundarschule im Meisterschwanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden).

Religiöse Erziehung als Hauptziel
Nach der Reformation hatte sich im Berner Aargau langsam ein Schulwesen entwickelt. Verantwortlich dafür waren die Kirchgemeinden. In Seengen, dem Meisterschwanden und Tennwil damals kirchlich zugeteilt waren, ist ab 1575 ein Schulmeister bezeugt. Als erstes Schullokal diente das ehemalige Beinhaus. Die selber kaum ausgebildeten Lehrer mussten mit einer geringen Entlöhnung auskommen und waren auf einen Nebenverdienst angewiesen. Der Unterricht fand nur in den Wintermonaten statt und die Schulpflicht zunächst auf drei Winter beschränkt. 1755/56 baute Meisterschwanden ein eigenes Schulhaus am Kirchrain, das im oberen Stock als Armenhaus genutzt wurde.

1789 regte der von der Herrschaft Hallwyl eingesetzte Schulmeister Jakob Döbeli die Schaffung eines Schulfonds an. Durch Kollektensammlungen nach der sonntäglichen Kinderlehre konnte ein Grundstock gebildet werden, der durch Zinsen und testamentarische Verfügungen anwuchs und auch den armen Kindern die Anschaffung von Büchern erlaubte. Die Stapfer-Umfrage ergab 1799, dass 115 Kinder in Meisterschwanden die Schule besuchten. Der Unterricht fand noch immer hauptsächlich im Winter statt, im Sommer wurden die Kenntnisse an einem halben Tag pro Woche aufgefrischt. Schulmeister Döbeli, verheiratet und Vater von vier Kindern, erhielt wie sein Tennwiler Kollege Fischer von der Kirche und der Gemeinde je einen Lohnanteil an Geld und Naturalien (Kernen). Damit konnte er seine Familie offenbar ernähren: Aus der Umfrage ging hervor, dass er im Sommer dem Mausen nachgehe, sonst aber keinen anderen Beruf habe.

Auszug aus dem ersten Protokoll der Schulpflege Meisterschwanden von 1865 (Gemeindearchiv Meisterschwanden). 

Stilles Lernen in der engen Schulbank
Der Hauptfokus im Unterricht lag auf dem Beten, Singen und Buchstabieren und später Lesen sowie dem Auswendiglernen des Heidelberger Katechismus. Als Lehrmittel dienten Namen- und Psalmenbücher, der Katechismus und die Bibel. Schreiben lernten nur knapp die Hälfte der Knaben und noch weniger Mädchen.

1805 trat Schulmeister Döbeli nach mehr als 30 Jahren zurück. Sein Nachfolger erhielt kein gutes Zeugnis. Der Seminarlehrer Melchior Sandmeier erinnerte sich Jahrzehnte später an seine Schulzeit in Meisterschwanden zurück: Die Schule sei ihm anfänglich wie ein Gefängnis vorgekommen. In die enge Schulbank eingepfercht, musste er zwei bis drei Stunden unbeweglich und unbeschäftigt dasitzen. Jeder Schüler erhielt ein Holztäfelchen mit dem Alphabet, das er sich mit stillem Lernen einprägen sollte. Auf jeden Mucks und jede Regung eines Schülers folgte ein Donnerwetter des Schulmeisters. Einmal pro Tag kam er Lehrer bei den jüngsten Schülern vorbei, die ihm dann das ABC aufsagen mussten.

Das 1807 eingeweihte Schulhaus Tennwil (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden).

Einführung der allgemeinen Schulpflicht
Nach der Gründung des Kantons Aargau 1803 wurden weitere Bildungsanstrengungen unternommen. Das erste Schulgesetz von 1805 legte eine allgemeine Schulpflicht fest. Die Schule wurde in der Folge schrittweise reformiert und ausgebaut. 1835 kam es zur Einführung der dreigliedrigen Oberstufe. Noch immer hatte ein Lehrer jedoch bis zu 100 Schülerinnen und Schüler zu betreuen. Trotz Schulpflicht fehlten zur Erntezeit oft vor allem die älteren Schüler reihenweise. 1850 stellte der Kanton in jenen Regionen die meisten Schulversäumnisse fest, wo wie in Meisterschwanden «das Strohflechten zu einem lohnenden Erwerbszweig geworden» war.

1807 gelang es Tennwil schliesslich doch noch, sich ein eigenes Schulhäuschen zu bauen. Dieses musste in den 1860er-Jahren der neuen Seetalstrasse weichen. 1870 wurde es durch ein neues Schulhaus ersetzt, das gut ein Jahrhundert lang als solches genutzt werden sollte. Meisterschwanden weihte 1888 das Schulhaus Mühle ein.

Das 1870 eingeweihte Schulhaus Tennwil (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden).

Neue Schulanlage Eggen
Der gesellschaftliche Wandel veränderte die Schule im Lauf des 20. Jahrhunderts stark. Einen Meilenstein in der jüngeren Dorfgeschichte stellte 1971 die Einweihung der Schulanlage Eggen dar. Mit ihr begann auch eine Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden Fahrwangen, Sarmenstorf und Bettwil auf der Oberstufe, die zuletzt 2022 neu organisiert wurde. Die Bezirksschule besuchten die Meisterschwander Schülerinnen und Schüler ab 1864 in Seengen, von 1920 bis 2022 in Fahrwangen und seither wieder in Seengen. 1974 konnte ein Doppelkindergarten in Betrieb genommen werden, 1986 und 2002 folgten die Erweiterungsbauten der Schulanlage Eggen. Seit 2017 besteht im Dorf zudem die Privatschule Sonnenweg.

Die Schulanlage Eggen nach der Erweiterung 1986 (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden).

Lesen Sie hier weiter: www.meisterschwanden.ch/dorfchronik


Beitrag teilen: