
Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: Wolkenschnitt, Fisch und Tannen
- Text: Patrick Zehnder, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
- Bild: Wikipedia / Galliker, Gemeindewappen, S. 209
Die Wappen von Meisterschwanden und Tennwil
Im Mittelalter war es ein Privileg der Adelsfamilien, ein Wappen zu tragen. Die Ritter und ihre Gefolgschaft sollten an Turnieren und bei Kriegszügen erkennbar sein. So entschieden sie sich für eine Farbkombination, ein bestimmtes Bild oder ein Wappentier. Dieses Wappen trugen sie stolz auf ihrem Schild, ihrer Kleidung und auf der Pferdedecke, damit alle Welt sehen konnte, wer da heranritt und mit wem man es zu tun hatte. Auch die Siegel auf ihren Urkunden trugen dieselben Symbole.
Mit der Zeit legten sich auch Städte und grössere Ortschaften ein Wappen zu. Ein schönes Beispiel gibt es aus dem Bezirkshauptort Lenzburg, wo eine blaue Kugel auf weissem Grund seit bald 700 Jahren das Wappen der Stadt bildet. Das Stadtwappen wurde im 19. Jahrhundert auch zum Bezirkswappen. Es ist nicht identisch mit jenem der Grafen von Habsburg, die 1173 letztmals schriftliche Quellen hinterlassen. Ihre Siegel zeigten eine Burg mit zwei Türmen.
Als die von Napoleon genehmigte Mediationsakte 1803 den Kanton Aargau schuf, musste sich auch dieser für ein Wappen entscheiden. Die Wahl fiel auf einen geteilten Schild von Schwarz und Blau, mit einem weissen Fluss und drei weissen Sternen. Seither besitzt der Aargau ein Symbol, das einerseits die Eigenständigkeit des Kantons betont und anderseits die Zusammengehörigkeit der vier historischen Regionen vom Berner Aargau über das Freiamt und die Grafschaft Baden bis zum Fricktal.
Gemeindesiegel als Vorlage für Wappen
Schon bald ging es darum, dass sich sämtliche Gemeinden ein Wappen zulegten. 1811 forderte der Kanton die Gemeinden auf, Abdrücke ihrer Gemeindesiegel einzusenden. Gesagt, getan, ausser in Meisterschwanden. Als einziges Dorf im Bezirk Lenzburg hatte es kein Siegel vorzuweisen. Deshalb griff man auf die mittelalterliche Chronik von Johannes Stumpf (1500–1577/78) zurück, die vermeintlich den Schild der Herren von Meisterschwang zeigte. Es handelte sich um einen hellen Schild, darauf zwei blaue Balken, belegt wiederum mit zwei weissen Balken.
Es dauerte bis ins Jahr 1912 – so lange führte Meisterschwanden das entsprechende Siegel und Wappen – bis der Irrtum aufgeklärt wurde. Seither benutzt die Gemeinde Farbe und Symbolik der Herren von Meisterschwang, die im Hoch- und Spätmittelalter zwischen dem Seetal und dem Freiamt ansässig waren. Sie sollen in Meisterschwanden auch einen Adelssitz gebaut haben, der allerdings archäologisch bisher nicht nachgewiesen ist. So kam es dazu, dass das Dorfwappen im Wolkenschnitt geteilt ist – von oben blau und unten weiss. Das gleiche Heroldsbild wird in der Schweiz noch von einer weiteren Gemeinde geführt, nämlich von der Nidwaldner Gemeinde Buochs, allerdings mit umgekehrten Farben.
Ganz anders sah die Situation im 1899 eingemeindeten Tennwil aus. Tennwil konnte 1811 mit berechtigtem Stolz dem Kanton ein eigenes Siegelwappen einreichen. Es zeigt einen geteilten Schild in Blau und Weiss. Im blauen Feld ist ein nach links gerichteter Fisch abgebildet, im weissen Feld ein grüner Hang, darüber zwei grüne Tannen, die auf den Ortsnamen Tennwil anspielen. Darüber thront ein roter, fünfstrahliger Stern. Der Gemeinderat Tennwil verwendete dieses Wappen auf ihrem Stempel, solange es die eigenständige Gemeinde gab.
Das Tennwiler Wappen zeigt eine Landschaftsskizze, die See und Wald vereint. Die vier Tannen spielen auf den ehemaligen Dorfnamen an (Wikipedia).
Familienwappen und Dorffahnen
Doch die Heraldik, wie die Wissenschaft der Wappenkunde korrekt heisst, kennt klare Regeln und versteht keinen Spass. Deshalb gilt ihr das Tennwiler Wappen als unheraldisch: Die Landschaftsskizze vom Tannenwald am See taxieren Fachleute als überladen. Dazu kommt die grüne Farbe, die in Wappen nur selten vorkommt und wenn, dann erst in jüngerer Zeit als Symbol der Freiheit, wie es etwa von den jungen Schweizer Kantonen Thurgau und Neuenburg verwendet wird.
Übrigens legten sich viele ganz gewöhnliche Familien seit dem 19. Jahrhundert ein eigenes Familienwappen zu. Auch die Meisterschwander Geschlechter der Döbeli, Fischer, Siegrist und Thut. Ausgebildete und selbsternannte Heraldiker fertigten solche Familienwappen für gutes Geld an. Bei den Gemeinden sorgte die Landesausstellung von 1939 dafür, dass alle Dörfer eine eigene Flagge erhielten. Die sogenannte Höhenstrasse säumten die Fahnen der damals rund 3000 Schweizer Gemeinden. Sie bildete neben dem Schifflibach und der Seilbahn über das untere Seebecken den Höhepunkt der «Landi» in Zürich.
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