Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: Wein von der Seehalde
- Text: Simon Steiner
- Bild: zVg. / AGIS / Sammlung Gemeinde Meisterschwanden
Zur Geschichte des Rebbaus in Meisterschwanden
Der Wein kam mit den Römern. In der heutigen Deutschschweiz wurde die Rebkultur vermutlich im ersten Jahrhundert nach Christus eingeführt, nachdem dieses Gebiet ins Römische Reich integriert worden war. Auf dem rechten Ufer des Hallwilersees entstanden damals mehrere römische Gutshöfe, wo mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Reben angepflanzt wurden. Dabei handelte es sich wohl kaum um eigentliche Weinberge, sondern eher um Reblauben in der Nähe von Siedlungen. Die Menge an gekeltertem Wein dürfte sich in entsprechend engem Rahmen gehalten haben.
Bern fördert den Rebbau
Seit Anfang des 17. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Weinbaus für die wachsende Bevölkerung zu. Die bernische Obrigkeit verfolgte eine protektionistische Autarkiepolitik und schränkte den Weinimport ein. Gleichzeitig förderte Bern den eigenen Rebbau. Zwischen 1631 und 1648 – es war die Zeit des Dreissigjährigen Kriegs – stieg die Rebfläche auf dem Gemeindegebiet von Meisterschwanden und Tennwil von 2 ½ auf 10 ½ Jucharten, bis 1803 dann auf 26 ½ (rund 9 ha). Obwohl der Weinbau keinen grossen Gewinn brachte, trug er insbesondere für die wachsende Zahl der Tauner (Kleinbauern) massgeblich zur Sicherung ihrer Existenz bei.
Wie die topografische Aargauer Karte von Ernst Heinrich Michaelis zeigt, gab es um 1840 vier grössere Rebberge: Im damals noch eigenständigen Tennwil wurde in den Gebieten Döltsche und Brosifeld Wein angebaut, in Meisterschwanden an der inneren und der äusseren Seehalde nördlich und südlich des Bachtobels. Dazu kam ein kleinerer Rebberg im Gebiet Flücke. Der Name der Wiese beim Zopf, die an die Seehalde angrenzt, zeugt noch von jener Zeit: Rebmatte.
Rebbaukrise im späten 19. Jahrhundert
Bis ins späte 19. Jahrhundert veränderte sich die Rebfläche nur unwesentlich. Die Rebbaukrise leitete dann jedoch einen Rückgang ein. Von der Reblaus blieben die Weinberge am Hallwilersee zwar verschont. Die Konkurrenz durch billigen Importwein aus Spanien und Frankreich, der dank der Eisenbahn nun einfacher zu transportieren war, setzte den einheimischen Winzern zu. Auch löschten Industriearbeiter ihren Durst lieber mit Bier. Hinzu kamen Krankheiten wie der Mehltau, deren Bekämpfung für zusätzlichen Aufwand sorgte. 1895 betrug Rebfläche in der Gemeinde Meisterschwanden – noch ohne Tennwil – rund vier Hektaren, aufgeteilt auf 20 Parzellen. Ein grosser Teil davon sollte in den folgenden Jahrzehnten verschwinden. Nach mehreren Fehlernten wurde 1915 beispielsweise fast die ganze innere Seehalde gerodet.
Im 19. Jahrhundert waren mehrere Eigengewächswirtschaften (Besenbeizen) entstanden, die mit dem Rückgang des Weinbaus wieder verschwanden. Auch die Gasthäuser schenkten einheimische Tropfen aus. Über einen grossen Rebberg am See verfügte etwa die damalige Taverne zum Schwanen im heute noch existierenden Schwanengut. Das spätere Restaurant Delphin wurde um 1850 als «Wirtschaft in den Reben» aktenkundig. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg kam dort roter und weisser «Delphiner» vom Rebberg oberhalb des Gasthofs auf den Tisch. Der hauseigene Wein der Sorten Klevner (alter Name für Blauburgunder respektive Pinot noir) und Riesling-Silvaner lagerte in zwei 1500-Liter-Fässern im Gewölbekeller.
Vom traditionellen Rebland werden zwei Flächen in Tennwil an der Grenze zu Seengen noch im 21. Jahrhundert genutzt. Das Gebiet, in dem einst das Restaurant Tanne seinen Hauswein anbaute, wird heute von Seengen aus kultiviert. Ein neuer Rebberg ist in jüngster Zeit südlich des Dorfs Meisterschwanden entstanden: Die nebenberuflichen Winzer Marcel und Monica Meier begannen dort 2007 eine Fläche von 30 Aren zu bewirtschaften. Mit knapp 1500 Rebstöcken der pilzresistenten Sorten Cabernet Jura und Sauvignon Soyhières produzierten sie ihren eigenen Wein, bis sie den Rebberg per Ende 2023 an die Familie Fischer übergaben.
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