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Veröffentlicht 04. Dezember 2024

Digitale Dorfchronik – Eintrag des Monats: Zwischen Rebhalde und Mühlebühl

  • Text: Patrick Zehnder, Gemeindeverwaltung Meisterschwanden
  • Bild: Landeskarte: AGIS / Flurkarte: Siegrist 1952

 Was in den Meisterschwander Flurnamen steckt

Sie machen neugierig, die Flurnamen. Sie bilden die Grundlage für Strassennamen, bezeichnen markante Geländeformen oder finden sich auf Ortsplänen und Landeskarten. Als Flurnamen gelten alle Namen von Orten, die ausserhalb von Siedlungen vorkommen. Zum einen sind das Äcker und Wiesen, Wälder und Wege. Zum zweiten kleine Gewässer, Hügel oder besondere Objekte wie Findlinge oder Grenzsteine.

In unserer Gegend haben die meisten dieser Namen einen Bezug zur Landwirtschaft, die über Jahrhunderte dominierte und bis ins 21. Jahrhundert eine grosse Bedeutung hat. Daraus ist abzulesen, welchen Stellenwert der Getreideanbau hatte, denn viele Bezeichnungen in Meisterschwanden tragen den Begriff Acker. Brosifeld meint eine Parzelle, die einem Ambros gehörte. Im Klemmacher ist das Pflügen schwierig, der Pflug und die Egge klemmen. Auf dem Chrebsacher wimmelt es von diesen Tieren, weil es feucht ist. Auf den Ghäselächer stehen die Kulturen in Konkurrenz zu Haselsträuchern.

Wo es Gwatt, Gwattmatte oder Gwattacher heisst, steht das Grundwasser ebenfalls hoch, denn der Begriff kommt vom alten Wort Gewate, was auf sumpfiges Gelände oder gar ein Moor hindeutet. Ein guter Boden ist im Himmelrich anzutreffen. Im Hosebändli gab es vor der Melioration ganz schmale, dafür lange Grundstücke, während Moosächer, Schacheacher und Weieracher wiederum auf versumpftes Landwirtschaftsland hinweisen. Das muss allerdings unterdessen nicht mehr so sein, die Entwässerungen im 20. Jahrhundert haben vieles verändert. Zum Schutz vor wilden Tieren zäunten (oder eben: schlugen) die Bauern bestimmte Parzellen ein. Womit Unter Ischlag und Ober Ischlag erklärt wäre.

flurnamen

 

Alte und neue Flurnamen

Eine zweite Gruppe von Flurnamen nimmt Bezug auf die Tierhaltung. Da gibt es Matten und Weiden. Auf den ersten wurden gemäht und geheut, auf die zweiten trieb man Gross- und Kleinvieh. In Meisterschwanden weisen Grossmatt und Langmatt auf ehemals bedeutendes Wiesland hin. Die Rebmatt liegt neben dem Rebberg, auf der Widematt wachsen Weidenbüsche, wenn man sie nicht intensiv pflegt. Am Munihubel graste der gemeindeeigene Zuchtstier und im Ghei, das verwandt ist mit Gehege, trieben die Hirten nachts oder bei schlechtem Wetter die Tiere zusammen. Im Geissekrage dürften Ziegen anzutreffen gewesen sein.

Die Flurnamen in Meisterschwanden sind mit wenigen Ausnahmen aus der deutschen Sprache gebildet. Ältere Sprachstufen wie das Indoeuropäische, Keltische oder Galloromanische kommen nicht vor. Was wir heute als Bezeichnungen in modernen Grundbuchplänen und anderen Kartenwerken finden, geht oft auf jahrhundertealte Traditionen zurück. Im Hochmittelalter begannen die geistlichen und weltlichen Grundherrschaften, in ihrer Verwaltung alles schriftlich festzuhalten. Es entstanden Urbare und Zinsrodel (Verzeichnisse bzw. Register), die Besitz und Abgaben nannten. Sie boten den Eigentümern Sicherheit und garantierten der Obrigkeit Zehnten und Steuern.

Wasserläufe und Wald
Klassische Flurnamen beziehen sich auf Feuchtgebiete oder Gewässer. Beispiele dafür sind das Buchermoos, der tief eingeschnittene Dorfbach, das Moos und auch das Seefeld. Womit wir beim See angelangt sind, wie der Hallwilersee im Dorf heisst. Es braucht keinen Zusatz, weil keine Verwechslungsgefahr besteht. Oft werden markante Geländeformen aufgenommen. Auf Erhebungen weisen Mühlebühl und Reckholderhübel hin, wobei auf letzterem Wachholderbüsche spriessen. Die Seehalde fällt steilt zum See ab, auch «Zum Tobel» oder «Im Loch» geht es hinunter. Einst bildete der Wald das grösste Vermögen einer Gemeinde. Er lieferte Holz zum Bauen, für Werkzeuge und Möbel, zum Kochen und Heizen. Eine vielfältige Goldgrube, denn im Buechholz standen vornehmlich Buchen, im Erlehölzli Erlen und in der Flure die hochgewachsenen Lerchen, mit dem alten Wort Löhren. Hölzli steht für ein kleines Waldstück, das, wenn es isoliert steht, mit Schache bezeichnet wird. Dass unsere Vorfahren immer wieder Wald gerodet haben, davon berichten die Begriffe Rüti für Rodung und Singelloh, wo der Wald gesengt, mit anderen Worten niedergebrannt wurde. Loh oder Loo bedeutete nichts anderes als Wald. Und was meint man mit der Verkleinerungsform Löli?

flurkarte herrschaft hallwil

Ob der Flurnamen «Im Heuel» auf eine kleine Rodung, einen Hau, zurückgeht oder auf den lokalen Begriff für Uhu, den Tschuderheuel, kann wohl nicht mehr geklärt werden. Ebenso unklar bleiben die drei wahrscheinlich interessantesten Flurnamen in Meisterschwanden: Diesnähre, Flücken und Schinggli. Eine kantonale Datenbank aus dem entsprechenden Forschungsprojekt, das in ein Aargauer Namenbuch münden könnte, ist erst im Aufbau begriffen. Betrachten wir ein letztes Mal die Landeskarte und stellen fest, dass sie auch jüngere Namen verzeichnen. Bad, Delphin und Seerose erzählen vom frühen Tourismus im Seetal.

Lesen Sie hier weiter: www.meisterschwanden.ch/dorfchronik


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